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Der Hausherr und die Spinne

Diesen Sommer bemerkte ich eines Tages, dass eine Spinne ihr Netz an der weniger begangenen Türe des Pfarrhauses gewebt hatte. Dieses hatte sie gerade zwischen Türfalle und Rahmen aufgespannt, so dass es beim Öffnen der Türe zerrissen war. Das tat mir sehr Leid, aber ich erklärte der Spinne, dass sie doch woanders ihr Netz spinnen möge, weil wir anderen Hausbewohner die Türe halt öffnen müssten.

Einige Tage später passierte es wieder: beim Öffnen der Türe zerriss ich abermals das feine Gewebe. Wieder tat es mir Leid und ich wiederholte meine Bitte. Kure Zeit später bemerkte ich abermals ein Netz an derselben Stelle, diesmal bevor ich die Türe öffnete. Ich lobte die Spinne für ihre Beharrlichkeit und Geduld. Sie hatte mich damit wirklich beeindruckt. Doch auch ich blieb beharrlich, wiederholte meine Erklärung und auch die Bitte, öffnete die Tür und machte damit, im Bewusstsein doch der Hausherr zu sein, das Werk des kleinen Tieres erneut zunichte.

Als ich wenige Tage später wieder zur Türe trat, blieb ich erstaunt stehen. Denn das Tier hatte nun nicht nur Geduld und Fleiss bewiesen, sondern auch Lernfähigkeit: Das Netz befand sich an diesem Tag unten an der Türfalle und war auf die Türe hinunter gespannt. Ich drückte die Klinke vorsichtig hinunter, das Netz hielt. Ich freute mich, lobte die Spinne, dankte ihr für das Verständnis und gratulierte ihr.

Bei mir dachte ich, dass ich auch gerne soviel Geduld und Ausdauer, Fleiss und Arbeitsamkeit, Anpassungsfähigkeit und Gestaltungskraft hätte. Vielleicht würde sich dann Einiges in meinem Leben ändern und ich könnte meine Wünsche und Aufgaben voll erreichen.

Pfarrer Lenz Kirchhofer