Lahme werden wieder gehen
06. April 2020
Osterbrief 2020
Liebe Schwestern und Brüder in Christus
Ich grüsse Euch sehr herzlich. Als Euer Pfarrer schreibe ich Euch im Blick auf Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu Christi, Sohn des lebendigen und dreifaltigen Gottes. Ihr lest diese Zeilen vielleicht zwischen zwei Videokonferenzen, die Ihr in Eurem «home-office» für Euren Arbeitgeber tätigt. Vielleicht seid Ihr eben durch leere Strassen vom Einkaufen im Lebensmittelgeschäft zurückgekehrt, wo das Verkaufspersonal Euch freundlich gebeten hat, Abstand zu halten und Euch die Hände zu desinfizieren. Oder Ihr lest diese Zeilen als Ablenkung und Auflockerung zwischen zwei Einheiten Hometeaching und E-Learning, weil Eure Schule oder die Schule Eurer Kinder geschlossen hat. Mögli-cherweise ist dieser Brief auch der erste Kontakt seit Längerem, den jemand mit Euch aufnimmt. Gott bewahre, dass Ihr dieses Schreiben im Krankenbett lesen müsst. Allenfalls führt Ihr Euch meinen Brief auch zu Gemüte, während Ihr draussen die ersten warmen Tage in diesem Frühling geniesst. Wie auch immer Ihr diese Tage verbringt, woran auch immer Ihr Euch in diesen Tagen erfreut, worum Ihr Euch sorgt oder worüber Ihr Euch auch ärgert, Gott, der Herr, ist mit Euch, er erbarmt sich Eurer Nöte und stärkt Euch mit seinem Segen.
Einige von Euch haben in diesen Tagen anstelle eines Briefes womöglich eher eine Videoansprache im Internet erwartet, einen Podcast, einen Blog oder so etwas. Aber ich habe mich bewusst für einen Brief entschieden, weil Ihr nicht alle so selbstverständlich
wie leicht durch den Cyberspace surft. Ausserdem kann ich Euch so direkt anschreiben und sicher sein, dass Ihr alle meinen Brief erhaltet. Gerade in diesen Tagen möchte ich Euch sagen, dass unsere Gemeinde lebt und durch diese ausserordentliche Zeit des Verzichtens, der Einschränkungen, der Not und der Isolation trägt.
Lahme werden wieder gehen. Tote werden wieder aufleben. Kranke werden geheilt. Die müden werden erquickt. Wer traurig ist, wird wieder lachen. Vom Schweren, Traurigen oder Finstern kehrt das Leben immer wieder zurück, hin zum Leichten, Frohen, hin zum Licht, vom Tod zum neuen Leben: Das ist die Botschaft von Ostern. Eine Botschaft, die viele Menschen schon früher durch noch viel, viel schwerere Zeiten getragen hat, als wir sie in diesen Tagen erleben. Eine Botschaft, die noch lange nach uns weitere Menschen begeistern und am Leben halten wird. Diesen Sieg des Lebens über den Tod feiern wir an Ostern, einzigartig ausgedrückt im erstmaligen Entzünden der Osterkerze in der Oster-nacht. Dieser Ritus kann in diesem Jahr leider so nicht stattfinden. Wir werden die Oster-kerze aber im ersten Gemeindegottesdienst feierlich entzünden, sobald Veranstal-
tungen und Versammlungen wieder erlaubt sein werden. Damit werden wir das Ende
der Krise dieser Tage markieren und das Wiederaufleben der Normalität feiern.
Bis dahin gilt es für uns alle auszuhalten. Ich lade Euch herzlich ein, diese ausseror-dentliche Zeit auch bewusst mit Eurem Glauben zu gestalten und Eure Spiritualität persönlich oder im kleinen Rahmen mit Euren Nächsten zu pflegen. Impulse dazu findet
Ihr in unserer Zeitschrift «Christkatholisch». In der Ausgabe Nummer 7 steht zum Beispiel eine kurze Osterfeier für zuhause. An vielen Orten werden jeweils donnerstags Kerzen
als Hoffnungslichter angezündet. Auf der Website unserer Kirche christkatholisch.ch gibt es viele Impulse und Gebete. Wer im Besitz eines Gebet- und Gesangbuches, kurz CG, ist, kann dieses verwenden. Und nicht zuletzt stehen in der Bibel viele spannende, wunderbare und hoffnungsvolle Geschichten und Texte, die jeder und jede von uns zur geistlichen Erbauung und zum Trost lesen kann. Angaben zu den Lesungen im Kirchenjahr findet Ihr im Kalender, den Ihr noch im letzten Jahr erhalten habt oder auch in der Zeitschrift «Christkatholisch». Als Beispiel sei hier einfach das Evangelium vom Oster-sonntag angeführt, das im Johannesevangelium steht, Kapitel 20, Verse 1-9. Für ein Ge-spräch stehe ich gerne am Telefon zu Eurer Verfügung (062 822 22 74).
Zum Schluss lasst uns nicht vergessen, dass es auf dieser Welt noch weit grössere Not gibt, als diejenige, die wir gerade erleben. Wenn wir beispielsweise an überfüllte Flüchtlingslager in Syrien denken, so können wir glücklich sein, dass wir hier einfach nur zu Hause bleiben sollen, dürfen und auch können. Deswegen möchte ich Euch auf Anregung unseres Bischofs auch bitten, in Nächstenliebe die Aktion «Osterhilfe» mit einer Spende zu bedenken. Sie kommt den Zehntausenden von Flüchtlingen aus dem Krieg in Syrien
zugute, die entweder an der griechisch-türkischen Grenze (Lesbos) oder bereits an der syrisch-türkischen Grenze (im Norden Syriens) aufgehalten werden und unter entsetzlichen humanitären Bedingungen ausharren müssen, die sich durch das Auftreten des Corona-Virus in der Region nochmals verschärft haben. Begünstigen Sie bitte dazu die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS, IBAN: CH40 0079 0016 5902 3311 1, Zweck: Oster-kollekte 2020-Nothilfe. Alternativ empfehle ich Euch unser Hilfswerk «Partner sein» für eine Spende. Denkt daran, dass die kirchlichen Hilfswerke, wegen des Wegfallens von Kollekten in all den abgesagten Gottesdiensten, in diesem Jahr mit deutlich weniger Spendenerträgen rechnen müssen. Geld, das nachher dort fehlt, wo es sehr nötig ist.
Die Strassen werden bei uns noch unbestimmte Zeit leer bleiben. Bis auf Weiteres müssen wir die Hygienevorschriften einhalten. Arbeiten und lernen zuhause wird noch eine Weile unseren Alltag mitbestimmen. Und wir werden in den kommenden Wochen nur wenig direkten Kontakt mit Freunden, der Familie oder als Kirchgemeinde haben. Diese Zeit fordert uns gewiss heraus. Dennoch dürfen wir hoffen, dass auch diese Zeit eines Tages vorbei sein wird. Auch diese Krise wird sich wieder in gelassenen Alltag wenden. Die Beklemmungen werden in Sicherheit und die Ängste werden in Lebensfreude aufgehen.
Bis dahin geht im Namen Gottes, des Lebendigen.
Es segne Euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn, der den Tod besiegt hat und zum ewigen Leben auferstanden ist, und der Heilige Geist. Amen.
Euer Pfarrer Lenz Kirchhofer