Heilige Woche

«Als er in Jerusalem einzog, geriet die ganze Stadt in Aufregung, und man fragte: Wer ist das?»

(Mt 21,10)

Eine merkwürdige Szene: Auf einem Esel reitet einer in Jerusalem ein. Könnte irgendeiner sein. Aber da sind mit ihm Männer und Frauen, die singen, tanzen und schwingen Siegeszweige. Das ist nicht irgendeiner. Einige wussten es: Das ist Jesus von Nazareth, der Prophet. Der Name weckt Erwartungen. Hochgefühle. Jetzt kommt der Messias. Endlich! Jetzt wird Israel die erhoffte Erlösung zuteil. Der schafft das.

Und dann wird doch alles anders. Um das Passahfest haben Aufrührer einen schweren Stand. Die Polizei ist in Dauerbereitschaft. Und für einen der Tempelobrigkeit einschlägig Bekannten gilt Nulltoleranz. So kommt es, dass der Triumph am Palmsonntag zum Zusammenbruch jeglicher Hoffnung am Karfreitag mutiert. Die Hoffnung auf einen starken Mann, der es für mich richten sollte, steht immer auf schwachen Füssen. Würde er es so richten, wie ich es mir vorstelle? Und wenn nicht, was dann? Würde dann nicht auch ich rufen: Ans Kreuz mit ihm? Und dann müsste ich durch die Nacht der Enttäuschung hindurch. Vielleicht eine lange Zeit. Aber dann kommt Ostern. Vielleicht. Die Jünger könnten sie so erfahren haben, dass sie sich gegenseitig ihre Ohnmacht eingestanden und darin Kraft für eine Zukunft erfahren hatten. Und sie ahnten: Jesus, der Christus ist in unserer Mitte auferstanden, für jeden von uns. Und er bleibt mit uns, wenn wir weitergehen. Jeder als sein eigener Jesus. Quasi. Das war nicht mehr die Jubelfreude vom Palmsonntag, das war die tiefe und neue Erkenntnis: Er ist wahrhaft auferstanden, für mich und in mir.

Pfarrer emeritus Reinhart