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Anständig, gnädig, …

In eigener Sache: Gedanken zum Wort «wohlwollend»

Das haben Sie sicher auch schon erlebt: Sie haben ein Fussballspiel oder ein Konzert besucht und am folgenden Tag den Bericht über den Anlass in der Zeitung gelesen und gedacht, sie seien nicht am gleichen Fussballspiel gewesen, hätten nicht das gleiche Konzert gehört wie der Journalist.

Mir ist dies auf jeden Fall schon widerfahren. Und eventuell auch einigen Christkatholikinnen und Christkatholiken, nachdem sie den Artikel über die Jubiläumssynode gelesen hatten. Es muss so sein, denn ich habe entsprechende Reaktionen erhalten.

«Wohlwollend» – über dieses Wort sind eine Leserin und zwei Leser gestolpert, die am Podiumsgespräch anwesend waren und sich gefragt haben, wie ich nach diesem Gespräch von Wohlwollen schreiben könne. «Anständig» sei die Reaktion der Anwesenden gewesen, mehr nicht. In einer anderen Zuschrift wurde mir gedankt, dass ich über das Podium und die Finanzdebatte «gnädig» berichtet habe.

Alle Reaktionen legen nahe, dass das, was im Blatt steht, nicht der objektiven Wahrheit entspicht. Tut es auch nicht, kann ich ganz offen sagen. Eine Dame, die vor mir sass, wandte sich um und sagte mir unverblümt: «Das ist ja völlig unprofessionell, was da abgeht.» Recht hatte sie.

Unabhängig oder involviert?

Wäre ich als Journalist einer «fremden» Zeitung anwesend gewesen, ich hätte mit Sicherheit anders geschrieben, wohl näher an den nackten Tatsachen. Aber: Selbst dann hätte ich mich gefragt, was denn der Sache dienlich sei. Diese Frage muss man sich stellen, wenn man bemerkt, dass der geplante Bericht aus irgendeinem Grund nicht so zustandekommt, wie er eigentlich geplant war. Und das traf bei besagtem Podiumsgespräch in hochgradigem Fall zu.

Ich habe beim Verfassen des Artikels um ein passendes Wort gerungen, um dem Geschehen in gebotener Kürze sprachlich gerecht zu werden. 

Die Leute hätten ja aus  dem Saal laufen können, nicht applaudieren, ja sogar mit Zwichenrufen das Podium stören. Nichts davon ist eingetroffen, was ich so wertete, dass dennoch eine wohlwollende Haltung vorhanden war. Kurz: Ich habe mich dazu entschlossen, nicht das Scheitern ins Zentrum des Jubiläumspodiums zu stellen, sondern die Reaktion darauf. Zwar war der Unmut spür- und vernehmbar und kam in der Zukunftswerkstatt zur Sprache, aber – und hier stimme ich einer Leserin zu – das Gremium bewies Fairness und vor allem Anstand.

Hintergrundwissen nötig

Manchmal braucht es zum Verständnis einer Situation auch noch das nötige Hintergrundwissen, das man als blosser Zuhörer, blosse Zuhörerin meist nicht hat, nicht haben kann. Ich habe mich zum Beispiel über den Übersetzer geärgert, der offenhörlich nicht korrekt ins Deutsche übertragen konnte. Die eiserne Regel bei Dolmetschern, dass immer von der Fremd- in die Muttersprache übersetzt wird, wurde gebrochen. Nur, das war nicht so geplant und nicht die Schuld des Übersetzers. Das hätte man wissen müssen, um der Wahrheit näher zu kommen.

Aber: Was ist Wahrheit? Das hat schon Pilatus Jesus gefragt, als dieser ihm sagte, er sei gekommen um Zeugnis von der Wahrheit abzulegen. Die Frage blieb unbeantwortet. Sie wird es auch hier bleiben. Dass Kommunikation ein schwieriges Arbeitsfeld ist, konnte erleben, wer die Podiumsdiskussion miterlitten hat. Das gilt für das gesprochene und das geschriebene Wort wie auch für das Bild.

Vielleicht aber helfen diese Gedanken beim nächsten Mal, wenn das Gefühlt aufkommt, nicht am gleichen Anlass gewesen zu sein. Mir als Schreibendem sind in Momenten des eigenen  Zweifelns die Reaktionen der Leserschaft hilfreich. Sie könnten zum Teil gegensätzlicher nicht sein – und das, obwohl alle den gleichen Text gelesen haben.

Franz Osswald