Flüchtlingshilfe, ökumenische Vereinbarungen und kirchenübergreifende Zusammenarbeit
Der Internationale Anglikanisch/Alt-Katholische Koordinierungsrat (AOCICC) tagte vom 6. bis 9. Juli 2025 in London. Gastgeber der Zusammenkunft war die Anglikanische Kirchengemeinschaft. Das Treffen fand im Büro der Anglikanischen Kirchengemeinschaft (ACO) im St. Andrew’s House in London statt.
Diskussionen zu ökumenischen Vereinbarungen und kirchlichen Strukturen
Der Koordinierungsrat diskutierte die ersten Ergebnisse einer Umfrage, die untersucht, wie Ortsgemeinden auf die Herausforderungen reagieren, die durch die Betreuung von Flüchtlingen und die Bewahrung der Schöpfung entstehen. 37 Antworten von altkatholischen und anglikanischen Kirchengemeinden aus Kontinentaleuropa gingen bisher ein. Diese vermitteln ein anschauliches Bild davon, wie Ortsgemeinden – oft in Zusammenarbeit mit anderen Kirchen und lokalen Organisationen – Flüchtlinge in ihrer Region unterstützen und mit Ressourcen versorgen. Sie zeigen auch deutlich, dass ein beträchtlicher Teil der Gemeinden Initiativen ergreift, um ihren CO2-Fussabdruck zu reduzieren und sich auf andere Weise für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Die Umfrage läuft noch bis Ende November 2025.
Ökumenische Vereinbarungen und das Verständnis von Amt und Episkopat
Der Rat setzte sich auch weiter mit ökumenischen Vereinbarungen auseinander, die Anglikaner und Alt-Katholiken mit anderen Partnerkirchen geschlossen haben, wobei der Schwerpunkt auf jenen in Europa liegt. Er untersuchte das anglikanische und altkatholische Verständnis des historischen Episkopats und der episcopé. Die empfohlene Vereinbarung „Gewachsene Gemeinschaft“ zwischen der Alt-Katholischen Kirche in Deutschland und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) sowie „Die Gaben der Gemeinschaft miteinander teilen (Augsburger Vereinbarung)“, ein Abkommen über die volle Kirchengemeinschaft zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) – einer der Mitgliedskirchen der VELKD – und der Episkopalkirche [The Episcopal Church, USA], die zu Pfingsten 2025 unterzeichnet wurde, wurden vorgestellt und diskutiert.
Regionale Vereinbarungen, kirchliche Gastfreundschaft und rechtliche Rahmenbedingungen
„Die Gaben der Gemeinschaft miteinander teilen“ gelangt ausdrücklich zur gegenseitigen Anerkennung der presbyteralen und bischöflichen Ämter, während „Gewachsene Gemeinschaft“ die gegenseitige Aufnahme von Geistlichen, unter der Voraussetzung einer entsprechenden Einführung in der aufnehmenden Kirche, ohne (neuerliche) Weihe empfiehlt. Somit handelt es sich faktisch um eine Vereinbarung von Kirchengemeinschaft. „Gewachsene Gemeinschaft“ schlägt eine engere Zusammenarbeit zwischen den Partnerkirchen vor, als dies im Meissener Abkommen zwischen der Church of England und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD, zu der sowohl die unierten und reformierten als auch die lutherischen Kirchen gehören) möglich ist, während „Die Gaben der Gemeinschaft miteinander teilen“ diese Zusammenarbeit gestattet. Beide Vereinbarungen bieten wichtige Einsichten in das historische Verständnis von Amt und Episkopat, die Auswirkungen auf weitergehende Beziehungen haben.
Der Rat stellte fest, dass die Utrechter Union im Allgemeinen als Ganzes ökumenische Gespräche geführt hat, während die Anglikanische Kirchengemeinschaft zunehmend regionale Vereinbarungen ausgearbeitet hat. Es bedarf weiterer theologischer Arbeit, welche Auswirkungen solche regionalen Vereinbarungen auf die Anglikanische Kirchengemeinschaft als Ganzes und auf die altkatholischen Kirchen haben. Es wurde weiter festgestellt, dass angesichts der weit verbreiteten Praxis gegenseitiger eucharistischer Gastfreundschaft zwischen Anglikanern, Altkatholiken und vielen protestantischen Kirchen – unabhängig davon, ob diese formell vereinbart wurde oder nicht – solche Vereinbarungen am meisten für den Klerus von Bedeutung sind. Neben der fehlenden Klarheit über den Status der Kirchen in Kirchengemeinschaft bei anglikanischen Versammlungen wie beispielsweise in der Lambeth-Konferenz, bestehen auch erhebliche Widersprüche hinsichtlich der Art und Weise, wie altkatholische Diözesen anglikanische Geistliche aufnehmen. Der Rat wird die verschiedenen Diözesen um Klärung der Verfahren bitten und diese in seiner nächsten Sitzung erörtern.
Schutz- und Präventionsmassnahmen
Schutz- und Präventionsmassnahmen (Safeguarding) wurden diskutiert, insbesondere die Bestimmungen der Kirche von England. Dabei wurde festgestellt, dass diese Regelungen vom rechtlichen Kontext der jeweiligen Kirche beeinflusst sind. So gelten in der Schottischen Episkopalkirche andere Prozesse und Verfahren zum Schutz und zur Prävention als in der Kirche von England. Diese Unterschiede haben zu Problemen bei der Lizensierung Geistlicher der Schottischen Episkopalkirche für die Leitung von Gottesdiensten in der Kirche von England geführt. Ebenso unterliegt jede altkatholische Diözese einem anderen Rechtsrahmen. Der Rat wird die Anforderungen von Schutz- und Präventionsmassnahmen beim Wechsel von Geistlichen zwischen den Mitgliedskirchen prüfen und das Thema Schutz- und Präventionsmassnahmen weiterhin auf seiner Agenda behalten.
Gefährdete Einheit innerhalb der anglikanischen Kirche
Der Rat beschäftigte sich mit einer Präsentation über „Die Nairobi-Kairo-Vorschläge: Erneuerung der Instrumente der Anglikanischen Kirchengemeinschaft“. Diese Vorschläge erkennen die aktuelle Situation der beschädigten Gemeinschaft innerhalb der Anglikanischen Kirchengemeinschaft an und beschäftigen sich insbesondere mit den Rollen des Bischofssitzes von Canterbury und des Erzbischofs von Canterbury. Sie schlagen eine Überarbeitung der von der Lambeth-Konferenz 1930 vorgeschlagenen Definition der Anglikanischen Kirchengemeinschaft vor; ebenso eine Erweiterung der Abläufe bei der Einberufung, Leitung und beim Vorsitz des „Primates Meeting“ (Versammlung der anglikanischen Primasse), des Anglikanischen Beratenden Rats (Anglican Consultative Council – ACC) und der Lambeth-Konferenz. Vorgesehen ist ein rotierender Vorsitz im ACC zwischen den Primassen der fünf Regionen der Kirchengemeinschaft und eine gestärkte Rolle des Ständigen Ausschusses der Primasse bei der Einladung und Einberufung sowohl des „Primates Meeting“ wie auch der Lambeth-Konferenz. Der Erzbischof von Canterbury würde hierbei nicht mehr alle Versammlungen der Kirchengemeinschaft einberufen und leiten. Es wurde darauf hingewiesen, dass in der Utrechter Union der Erzbischof von Utrecht den Vorsitz der Internationalen Bischofskonferenz innehat, aber nicht der Primas ist. Die Situation der Utrechter Union ist allerdings aufgrund ihrer geografischen Beschränkung auf West- und Mitteleuropa in gewisser Hinsicht weniger kompliziert.
Gemeinsame Gottesdienste feierte der Rat im St. Andrew’s House, indem er zusammen mit den Mitarbeitern des ACO am täglichen Morgengebet und der Eucharistiefeier am Dienstag teilnahm. Auf Einladung des Dekans und des Kapitels besuchte er ausserdem die gesungene Abendandacht in der Westminster Abbey. Er genoss einen Ausflug zum Victoria and Albert Museum und zum St. Katherine’s Dock.
Die Mitglieder des Rates bedanken sich herzlich bei den Mitarbeitern des ACO, insbesondere Revd. Neil Vigers, Dr. Christopher Wells und Stefan Tkaczek für den herzlichen Empfang, die Organisation und Unterstützung dieser Tagung.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Dr. Christopher Wells (christopher.wells@anglicancommunion.org) oder Pfarrerin Ruth Tuschling (ruth.tuschling@alt-katholisch.de).
Communiqué des Internationalen Anglikanisch/Alt-Katholischen Koordinierungsrats
Websites: www.anglicancommunion.org and www.utrechter-union.org
Mitglieder des Rates:
Anglikanisch
The Rt Revd Peter Eagles (Co-Vorsitzender)
Mrs Jenny Knudsen
The Revd Canon Dr. Tess Kuin Lawton
The Revd Canon Prof. Charlotte Methuen
Canon Dr. Christopher Wells (Co-Sekretär)
The Revd Neil Vigers
Altkatholisch
Bischof Emeritus Dr. Harald Rein (Co-Vorsitzender)
Vikarin Revd. Dorothee Hahn
Prof. Dr. Andreas Krebs
Pfarrerin Dr. Ruth Tuschling (Co-Sekretär)
Priester ThDr Petr Jan Vinš