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Bleibet in Christus und er in euch

Paulus Ganz
Apostel Paulus

Frage: Ist Spiritualität biblisch?

Der weitverbreitete Widerstand gegen die Institution Kirche und eine traditionelle Vermittlung der Praktiken des Glaubens wie Beten, Singen, Feiern oder Beichten gehören sozusagen zum Programm einer schwebenden Spiritualität. Deshalb rede ich dezidiert von einer christlichen Spiritualität und bezwecke damit, den Fokus von autoritär verordneten oder mechanisch gepaukten Exerzitien auf eine leibbezogene, beziehungsorientierte und musikalische Theologie des Übens und Geübt-Werdens zu lenken. Spiritualität ist ein Ausdruck des Glaubens, der in der «sanctorum communio», d. h. Gemeinschaft der Heiligen, geübt, erfahren und gefeiert werden will.

Das Wort Spiritualität leitet sich vom Lateinischen spiritus, spirit(u)alis (Geist oder auf den Geist bezogen) ab und taucht erstmals im 5. Jahrhundert auf. In der Bibel ist Spiritualität eng an die paulinischen Briefe geknüpft, wo «pneumatikos» für die das Leben transformierende Gegenwart des göttlichen Geistes verwendet wird. Im 17. / 18. Jahrhundert wurde Spiritualität durch den Quietismus  (von lat. quietus, «ruhig») verworfen, einer Sonderform der christlichen Mystik, Theologie und Askese, die vom Lehramt als Irrlehre und falsche Form der Lebensführung bezeichnet wird. Damit war das Wort Spiritualität im deutschen Sprachraum durch die ganze Zeit der Modernität bis ins 20. Jahrhundert stigmatisiert. Erst im späteren 20. und jetzt im 21. Jahrhundert der Postmodernität – dem heutigen Neuheidentum, wie einige dieses Zeitalter schimpfen – wurde der Begriff der Spiritualität rehabilitiert. Bezeichnenderweise wurde er anfänglich von weltlichen, säkularen Instanzen und Organisationen verwendet, erst viel später in den Kirchen Europas und nochmals ein paar Jahre darauf an den deutschsprachigen Universitäten.

Im hebräischen Gebrauch bedeutet Spiritualität ein Leben innerhalb des Rahmens des Judentums, erkennbar in und durch die rettenden Taten Gottes in der Geschichte mit seinem Volk Israel. Die Chronik Israels widerspiegelt sich im Glauben der Gemeinschaft und der Liturgie, vor allem in den jährlichen Gedenkfeiern, zum Beispiel dem Passah. Das Zentrum der jüdischen Spiritualität bildet der Tempel und die priesterlichen Praktiken und Rituale.

Im Brief des Apostels Paulus an die Römer treffen wir auf den Kern der christlichen Spiritualität, «Ich ermahne euch nun, ihr Brüder, angesichts der Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer: Das sei euer vernünftiger Gottesdienst! Und passt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern lasst euch [in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.»

Durch Paulus und andere Zeugen des Lebens Christi, gelangen wir in der Bibel zu einem Verständnis von Spiritualität als dem Prozess ein «Christenmensch» zu werden (in Martin Luthers Buch aus 1520 nachzuschlagen). Christliche Spiritualität bedeutet demzufolge, fortwährend ein Leben mit Gott zu leben. Sie ist der Vorgang, in dem Menschen durch und in Christus zu Christenmenschen geformt werden; es ist, sozusagen, getauft und in Christus gekleidet zu werden. Dabei werden wir transformiert. Christliche Spiritualität ist die individuelle Antwort auf den Ruf Christi durch den Heiligen Geist in der Welt der inneren und äusserlichen Realitäten.

Dr. Rebecca Giselbrecht
Schicken Sie Ihre theologische Frage bitte an: redaktion@christkatholisch.ch.