Die Nationalsynode zu Gast in Olten
Grusswort
Sehr geehrte Synodenteilnehmerinnen und Synodenteilnehmer
Es ist der Kirchgemeinde Region Olten eine grosse Ehre, Sie alle an der 155. Nationalsynode begrüssen zu dürfen. Vor 150 Jahren fand der „Oltner Tag“ statt, der zu den Geburtsstunden der Christkatholischen Landeskirche zählt. Schön, dass die diesjährige Synode in diesem Rahmen stattfinden kann. Freuen Sie sich, daran teilnehmen zu können und freuen Sie sich über die Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten unseres Städtchens. Die Kirchgemeinde Region Olten heisst Sie alle herzlich willkommen!
Im Namen des Kirchgemeinderates und der Kirchgemeinde
Monique Rudolf von Rohr
Am Anfang war der „Oltner Tag“
Am 10. und 11. Juni hält die Nationalsynode in Olten ihre 155. Session ab, und von Anfang Juni bis Ende Juli ist die Wanderausstellung „unterwegs – en route“ in der Stadtkirche zu sehen. Grund genug also, die Christkatholische Gemeinde Region Olten etwas ausführllicher vorzustellen.
Im Jahr der 155. Nationalsynode, in welchem sich der „Oltner Tag“ zum 150. Mal jährt, stellt die Christkatholische Kirchgemeinde Region Olten eine noch junge Körperschaft dar, besteht sie doch in dieser Zusammensetzung und Ausdehnung erst seit dem 1. Januar 2009. Entstanden ist sie durch den Zusammenschluss der Gemeinden Olten-Starrkirch, Hägendorf-Thal-Gäu und Trimbach. Der neu formierten Gemeinde standen vier Kirchen zur Verfügung: die Kirche St. Peter und Paul in Starrkirch, die Stadtkirche St. Martin in Olten, die Kreuzkirche in Trimbach und die Christuskirche in Hägendorf.
Dieser umfassenden Fusion war der Anfang 1999 in Kraft getretene Zusammenschluss der Gemeinden Starrkirch-Dulliken und Olten-Wangen voraus gegangen. Und da macht es Sinn, auf die unterschiedlichen Gründe der beiden Zusammenschlüsse hinzuweisen: Während die jüngere Fusion vor allem den finanziellen Möglichkeiten und Aussichten Rechnung trug, hatte sich das Zusammengehen von Olten und Starrkirch infolge der demographischen Überalterung aufgedrängt: Nach rund 120-jähriger Selbständigkeit bekundete die Gemeinde zunehmend Mühe, die vom Gemeindegesetz geforderten Ämter zu besetzen.
Zusammenschliessen – zusammenwachsen
Schon das erste Fusionsgeschehen liess gewahr werden, dass Zusammenschliessen und Zusammenwachsen zwei ungleiche Herausforderungen sind: Während Ersteres sich gesetzlich anordnen und nach Plan umsetzen lässt, setzt Letzteres einen anspruchsvollen Bewusstseinswandel und eine gemeinschaftsorientierte Gesprächskultur voraus. Wobei der hilfreichste Ansatz wohl darin besteht, die Gemeindezugehörigkeit und die Nähe zur Kirche mehr in der Glaubensgemeinschaft, in der Eucharistie und in den Gemeinschaft stiftenden Aktivitäten zu erfahren als in der Vorliebe für ein bestimmtes Kirchengebäude. Um eine solche Entwicklung zu fördern, wurden nebst der Administration auch die Vereinsstrukturen angepasst. Zunächst galt der Grundsatz, bestehende Vereinsstrukturen und -aktivitäten zu erhalten, es sei denn, sie lösten sich selber auf oder es würden neue Strukturen gebildet. In diesem Sinne haben sich jüngst der Frauen- und der Männerverein, auch auf die gewandelten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen reagierend, zum Gemeindeverein zusammengeschlossen, der sämtlichen Gemeindeangehörigen offen steht.
Der regionale Zusammenschluss stellte die Gemeinde aber auch vor die Frage, wie sie mit ihren vier Gotteshäusern und deren Nutzung fortfahren soll. Nach konsultativen Gesprächen in allen Gemeindeteilen ergab sich grossmehrheitlich der Konsens, das kirchliche Leben auf das Zentrum in Olten zu konzentrieren. Für eine solche Lösung sprach auch die zwei Jahre dauernde Aussen- und Innenrenovation der seit 1813 bestehenden Stadtkirche St. Martin, die aufgrund ihrer bau-, kultur- und kunsthistorischen Bedeutung unter kantonalem und nationalem Denkmalschutz steht.
Für die drei nicht mehr benötigten Kirchen galt es, nachhaltige Lösungen zu finden. Die Kirche St. Peter und Paul wurde im März 2021 von der Einwohnergemeinde Starrkirch-Wil käuflich erworben, die Kreuzkirche in Trimbach ist an die «Lighthouse Church“ vermietet, während die Christuskirche in Hägendorf, deren Mauerwerk infolge von Bodenabsenkungen Risse aufweist, noch einiger Abklärungen bedarf.
Und was die 6,5 Millionen Franken teuren Restaurierungs- und Reparaturarbeiten an der Bausubstanz, an den Kunstwerken, an der 143-jährigen Kuhn-Orgel, an der Infrastruktur und zur Neugestaltung der Chorraumes gebracht haben, kann die synodale Gemeinschaft mit eigenen Augen betrachten und die Freude mit der Oltner Gemeinde teilen.
Der „Oltner Tag“ – Auflehnung gegen die Unfehlbarkeit des Papstes
Am 1. Dezember 1872, also vor bald 150 Jahren, haben die rund 2000 zum Treffen in Olten gereisten freisinnigen Katholiken beschlossen, christkatholische Gemeinden zu gründen und eine eigene kirchliche Organisation aufzubauen. Allein schon die hohe Anzahl der Versammelten lässt auf eine bedeutungsvolle Vorgeschichte schliessen. Diese begann mit der Verkündigung der 1870 vom 1. Vatikanischen Konzil beschlossenen Dogmen über die universale Jurisdiktionsvollmacht und die Lehrunfehlbarkeit des Papstes. Am 6. Februar 1871 erklärte der Bischof von Basel, Eugène Lachat, die neuen Dogmen als Glaubenspflicht aller Katholiken, worauf die meisten Geistlichen seinen Hirtenbrief widerspruchslos verlasen. Zu den Ausnahmen zählte vorab der Luzerner Pfarrer Johann Baptist Egli, der eine Protesterklärung verlas und diese auch in der Presse publik machen liess. In der Region Olten bewies der Starrkircher Pfarrer Paulin Gschwind Rückgrat, indem er den Hirtenbrief zwar verkündete, den Passus zu den neuen Papstdogmen aber ausliess und seine eigene Haltung kund tat. Die bischöfliche Kurie reagierte unterschiedlich: Während Pfarrer Egli sogleich des Amtes enthoben und exkommuniziert wurde, blieb Paulin Gschwind vorerst unbehelligt. Erst nachdem Eugen Herzog, der damals in Luzern als Theologieprofessor wirkte, einer Berufung nach Krefeld folgend, weggezogen war, ging der Bischof von Basel auch gegen Paulin Geschwind vor: Ende Oktober 1872 wurde er als Pfarrer von Starrkirch abgesetzt und aus der Kirche ausgeschlossen.
Die Sanktionierung Pfarrer Eglis löste in liberalen Kreisen fast schweizweit Widerstand aus; im Frühjahr fanden Protestversammlungen der freisinnigen Katholiken statt, die sich in Vereinen zu organisieren begannen. Am 18. September 1871 trafen sich rund 380 Abgeordnete dieser Vereine in Solothurn zu einem Katholikenkongress, an welchem die Bildung eines schweizerischen Vereins freisinniger Katholiken beschlossen wurde. Von einer Kirchengründung war zwar noch nicht die Rede, aber als Wegbereiterin für den „Volkstag zu Olten“ darf sie füglich gelten.

Im Fünferkomitee, welches das Solothurner Treffen organisiert hatte, wirkte auch der Oltner Rechtsgelehrte Walther Munzinger mit. Er verfasste die Statuten des Vereins freisinniger Katholiken, die am „Oltner Tag“ verabschiedet wurden, und er galt als der Hauptpromotor einer christkatholischen Gemeinde in Olten.
Am „Oltner Tag“ selbst wurde auf Munzingers Antrag beschlossen, eigene Gemeinden zu gründen und eine kirchliche Organisation zu schaffen. Die Umsetzung erfolgte zügig: In rund drei Dutzend Städten und Gemeinden formierten sich christkatholische Gemeinden, wobei die städtischen Kerne in Zürich, Bern, Baselstadt, Luzern, Schaffhausen, St. Gallen, Neuenburg und Genf, die ländlichen Schwerpunkte in den Kantonen Aargau, Solothurn und Basel-Land lagen.
Das Machtwort der Solothurner Regierung
1874 wurde die Verfassung fertig gestellt und verabschiedet, worauf sie am 14. Juni 1875 an der 1. Session der Nationalsynode in Olten in Kraft gesetzt wurde. Am 4. April 1875 erklärte die christkatholische Gemeinschaft in Olten, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Gemeinde statuiert war, den Beitritt zur Christkatholischen Kirche der Schweiz. Am 18. Dezember 1892 erfolgte die öffentlich-rechtliche Organisation der christkatholischen Gemeinde Olten.
Und wie ging es bei Pfarrer Paulin Gschwind weiter? Nach der am 26. Oktober 1872 gegen ihn ausgesprochenen Exkommunikation rief er die Solothurner Regierung um Hilfe an, worauf diese feststellte, dass der Bischof von Basel mit der Amtsenthebung eines Pfarrers, den sie 1865 auf Vorschlag des Stiftes Schönenwerd und nach dem Willen der Gemeinde Starrkirch für gewählt erklärt hatte, seine Befugnisse überschritt. Nach seiner Weigerung, auf seinen Entscheid zurückzukommen, wurde Bischof Eugène Lachat von der Regierung abgesetzt und aus Solothurn ausgewiesen. In der Folge blieb Paulin Gschwind der Gemeinde Starrkirch noch 17 Jahre erhalten, bis er 1898 nach Kaiseraugst wechselte.
Seit der Gründung der Christkatholischen Kirche, die institutionell dem Prinzip der Gewaltenteilung verpflichtet ist, besteht für katholische Kirchenangehörige, die den Beschlüssen des 1. Vatikanums nicht Folge leisten können und wollen, eine katholische Alternative. Das bischöflich-synodale System und der Grundsatz, dass die Wahrheitsfindung nicht einer einzigen Instanz oder Persönlichkeit obliegt, gilt nicht nur für die Gesamtkirche, sondern auch in den Gemeinden, deren Regelwerk sich an der Verfassung der Gesamtkirche wie auch an der staatlichen Verfassung und am kantonalen Gemeindegesetz orientiert.
Kurt Schibler
Quellen
Urs Küry, Die altkatholische Kirche, Die Kirchen der Welt, Band III, Evangelisches Verlagswerk GmbH Stuttgart, 1966;
Martin Eduard Fischer, Der Kulturkampf in Olten, Jahrbuch für solothurnische Geschichte 2013;
Archive der Stadt Olten und der christkatholischen Gemeinde Region Olten;
Wikipedia, die freie Enzyklopädie, über Paulin Gschwind.