«Die Qualität der Musik soll hoch bleiben»
ach 35 Jahren im Dienste der Kirchenmusik geht Helene Ringgenberg in Pension. Zum Abschied gibt die Organistin von Bern ein Interview.
Klaus Wloemer: Liebe Helene Ringgenberg, 35 Jahre lang, von 1983 bis 2018, hast du in der Christkatholischen Kirche der Schweiz als Kirchenmusikerin gewirkt. Welche Funktionen hast du da eigentlich ausgeübt?
Helene Ringgenberg: Ich war Organistin, Kantorin und Chorleiterin (die Reihenfolge ist keine Wertung) in Bern, habe im Vorstand des Chorverbandes mitgewirkt und den Bistumschor «voces laudis» geleitet.
Kannst du dich an deinen allerersten Einsatz erinnern? Wenn ja, was für ein Einsatz ist das gewesen?
Ich erinnere mich vor allem an das erste Mal, dass ich auf die Orgelempore steigen durfte – der Blick ins Kirchenschiff von dort oben war (und ist immer noch) überwältigend. Selbstverständlich habe ich mir auch notiert, was ich am ersten Sonntagsgottesdienst spielte (aus der c-moll-Sonate von Mendelssohn). Die ersten Vespern hingegen liessen mich zittern, denn alle (gregorianischen) Gesänge verlangten Orgelbegleitung und darin hatte ich nun noch gar keine Erfahrung.
Jedes Arbeitsleben kennt Höhen und Tiefen. Erzähle doch unseren Leserinnen und Lesern von den allerwichtigsten Höhepunkten deines Wirkens in unserer Kirche.
Von der Warte der Organistin aus ist der Fall ganz klar: Die Rückführung unserer in den 40er-Jahren etwas unglücklich umgebauten Goll-Orgel in den Original-Zustand von 1885 war ein ganz grosses Geschenk. Viele Organisten haben sie seither schon besucht und waren begeistert, viele werden es auch in Zukunft sein. Als Chorleiterin erlebte ich, neben interessanten Chorreisen und wunderbaren Konzerten, vor allem die Chortage (alle sieben!) als Höhepunkte. Wenn ich ein Lieblingswerk unter den dort aufgeführten nennen müsste, wäre das wohl das Te Deum von Otto Olsson, welches wir in Schönenwerd-Niedergösgen sangen. Als Präsidentin der Musikkommission des Chorverbandes (1993-2018) war ich jeweils stark in die Organisation dieses nationalen Ereignisses involviert. Nicht jede Stückwahl wurde ein Erfolg, aber übers Ganze gesehen konnten wir doch zufrieden sein. Als Leiterin des Bistumschors erinnere ich mich besonders gut an die erste unserer CD-Aufnahmen: die der Eucharistia. Später habe ich eine Neuausgabe der Noten dazu betreut.
Vermutlich gab es auch den einen oder anderen «Reinfall» oder Flop während deiner Arbeit. Erinnerst du dich hier an etwas Bestimmtes?
Da gibt es eine ganz frühe Erinnerung: In meinem ersten Jahr an St. Peter und Paul geschah es zum ersten und einzigen Mal in meiner beruflichen Laufbahn (ich war ja auch als Musiklehrerin am Gymnasium Lerbermatt tätig), dass ich einen Einsatz verpasste. Am Karfreitagmorgen las ich nur «die Orgel schweigt» – dass ich als Kantorin in diesem Gottesdienst eine besonders schöne Aufgabe gehabt hätte, war mir (noch) nicht klar, und Pfr. Martin Heinz kam ins Schwitzen…
In der Kirchgemeinde Bern hast du verschiedenste Pfarrerinnen und Pfarrer erlebt. Über die Zusammenarbeit mit ihnen könntest du vermutlich ein ganzes Buch schreiben. Sind dir besondere Begegnungen in Erinnerung geblieben?
Es waren in der Tat gegen 20 Pfarrpersonen, mit welchen ich Gottesdienste gestalten durfte, das gäbe viel zu erzählen. Vielleicht zwei «Rosinen»: Zurzeit von Pfr. Peter Vogt waren die gelben A6-Karten für den Gottesdienstablauf in Gebrauch. Peter unterliess es nie, mir auf der Rückseite eine Zeichnung zu machen zur Jahreszeit, zu speziellen Ereignissen in der Gemeinde oder in der Welt. Weiter war ich sehr glücklich, als in Bern endlich auch eine Pfarrerin gewählt wurde; Anna Maria Kaufmann erfüllte meine Erwartungen an eine weibliche Stelleninhaberin voll und ganz.
Du hast eine ganze Reihe eigener Kompositionen durch den Berner Kirchenchor oder den Bistumschor «voces laudis» zur Aufführung gebracht, etwa an den Chortagen oder für CD-Aufnahmen. Welches ist deiner Meinung nach die gelungenste Arbeit?
Ich fühlte mich nie wirklich als Komponistin, sondern einfach in der Tradition der Chorleiter stehend, die für ihre Sängerinnen und Sänger nach Bedarf Musik zur Verfügung stellen, seien es Bearbeitungen oder neu Geschaffenes. Selbstverständlich freut es mich, dass die Messe «Veni et ostende», geschrieben für die Chortage in Rheinfelden, gut ankam.
Und welche zeitgenössische Komposition hat dich am meisten beeindruckt, die während deines kirchenmusikalischen Schaffens in unserer Kirche von dir aufgeführt oder zur Uraufführung gebracht worden ist?
Ich erinnere mich sehr gerne an das Kyrie (mit Nagelschuhen) und Sanctus von Jost Meier, 1972 geschrieben und durch den Bistumschor an den Chortagen in Schönenwerd-Niedergösgen 2003 endlich uraufgeführt. Gegenüber dem Stück «TaubN» der jungen Russin Marina Sobyanina, welches der Berner Kirchenchor an meinem Abschiedskonzert zur Uraufführung brachte, war ich zuerst sehr skeptisch, letztlich hatten wir dann doch gros-se Freude daran.
Du bist nun offiziell pensioniert. Das heisst aber vermutlich nicht, dass du nur noch zuhause auf der faulen Haut liegst. Wie sieht dein Leben mit seinen Aktivitäten nach der Pensionierung aus?
Ich spiele immer noch da und dort die Orgel im Gottesdienst, daneben habe ich zuhause vier Tasteninstrumente, die Aufmerksamkeit heischen. Ich konzertiere vor allem mit Cembalo und Hammerflügel und mache auch Abstecher in den Musikjournalismus.
Die Zukunft der christkatholischen Kirche dürfte dir nicht gleichgültig sein. Was gibst du uns an Wünschen und Empfehlungen mit auf den weiteren Weg?
Ich habe vor allem zwei Wünsche: einmal, dass die Qualität der erarbeiteten Musik (auch die der unscheinbaren) unvermindert hoch bleiben möge, und zum anderen, dass die Chöre und Chorgruppen die Wichtigkeit des Zusammenhaltes untereinander, der im bistumsumfassenden Chorverband realisiert wird, erkennen und diesen entsprechend unterstützen.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!
Pfarrer Dr. Klaus Wloemer