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«Ehe für alle»

Parade 4714534

Stellungnahme der Pastoralkonferenz zuhanden der Nationalsynode zur Frage der Öffnung des Ehesakraments für nicht-gegengeschlechtliche Paare

Die Pastoralkonferenz nimmt wie folgt Stellung:

a.
In der Bibel wird die Ehe als eine vorgefundene kulturell-gesellschaftliche Realität beschrieben. Auch im Neuen Testament wird kein genuin christliches Eheverständnis begründet.

b.
Das kirchliche Ehesakrament widerspiegelt eine kulturell-gesellschaftliche Realität und ist in seiner Sakramentalität theologisch schwierig zu begründen.
Als kulturell-gesellschaftliche Institution unterlag die Ehe stets dem Wandel – auch in rechtlicher Hinsicht. Die Einführung einer «Ehe für alle» ist ein Ausdruck dieses Wandels.

c.
Nach christkatholischem Verständnis handelt es sich beim Ehesakrament um die Segnung einer bereits geschlossenen Ehe. Die kirchliche Einsegnung der Ehe stellt diese unter den Segen Gottes. Auch gleichgeschlechtliche Paare werden bereits heute in der Christkatholischen Kirche gesegnet.

d.
Der Wunsch zweier Menschen, ihre Ehe öffentlich unter den Schutz und Segen Gottes zu stellen, ist als Ausdruck ihrer Gottesbeziehung und Frömmigkeit ernst zu nehmen.

e.
Gleichgeschlechtliche Paare wünschen sich, gleichbehandelt und nicht diskriminiert zu werden. Ehen unterscheiden sich in zahlreichen Aspekten (Alter, Kinderwunsch, Erst-Ehe usw.). Es erscheint daher nur schwer begründbar, gerade im unterschiedlichen Geschlecht der Ehepartner* das ausschlaggebende Merkmal für eine Ehe zu sehen.

f.
Der Segenswunsch des Paares und das Verbot jeglicher Diskriminierung kann nach Meinung der Pastoralkonferenz nur ernst genommen werden, wenn die Ehe ein Sakrament ist, das unterschiedslos für alle vor dem Staat getrauten Paare gilt.

g.
Um diese Einheit des Ehesakramentes auszudrücken, wird das Sakrament auch nach einer einheitlichen Liturgie gefeiert. Es liegt in der pastoralen Verantwortung des/der jeweiligen Pfarrer*in, in der Gestaltung der Feier die konkrete Ehe-Situation zu berücksichtigen.

Erläuterungen

a. In der Bibel wird die Ehe als eine vorgefundene kulturell-gesellschaftliche Realität beschrieben. Auch im Neuen Testament wird kein genuin christliches Eheverständnis begründet.

Selbstverständlich muss sich die Kirche bei all ihren Entscheiden stets an der Botschaft der Heiligen Schrift orientieren. Ihre Botschaft ist in einem aufgeklärten Bibelverständnis immer wieder neu auf Fragen der Gegenwart hin zu reflektieren. Die historische Bedingtheit der Bibel ist dabei stets zu berücksichtigen. So spiegelt sich in der Bibel auch die stark patriarchale Gesellschaftsstruktur ihrer Entstehungszeit wider.

Ganz besonders gilt dies unseres Erachtens auch für die Frage nach der Ehe. Die Ehe wird in der Heiligen Schrift – sowohl im Alten wie im Neuen Testament – als eine vorgefundene kulturell-gesellschaftliche Realität beschrieben, und nicht als Institution konstituiert oder definiert. Auffällig ist etwa, dass sich in den sehr ausführlichen Gesetzestexten des Alten Testamentes (etwa in Leviticus oder Deuteronomium) praktisch keine Rechtstexte zur Ehe finden lassen. Auch das Ehebruchsverbot in den Zehn Geboten geht von der Ehe als einer gesellschaftlichen Realität aus, die nicht näher definiert wird. Zudem finden sich auch Formen der Ehe in den alttestamentlichen Texten, die sich gravierend von moderner Ehevorstellung und Ehepraxis unterscheiden (z.B. Polygamie, Leviratsehe).

Grundsätzlich überwiegt in der patriarchalen Sichtweise der Ehe im Alten Testament die Bedeutung der Nachkommenschaft (vor allem von Söhnen). So haben die zwölf Söhne Jakobs, welche die zwölf Stämme des Alten Israel begründen, vier verschiedene Mütter und sind zum Teil ehelich, zum Teil ausserehelich (von Sklavinnen) geboren worden. Trotz diesen unterschiedlichen Abstammungssituationen gelten sie gleichwertig als Söhne Jakobs.

Die Schöpfungsberichte in Genesis 1 und 2 werden oftmals als Argument für die Ehe ausschliesslich zwischen Mann und Frau herangezogen.

Die Institution Ehe wird in diesem Text in keiner Weise erwähnt. Unseres Erachtens sagt der Text lediglich, dass der Mensch als geschlechtliches Wesen geschaffen wurde (Gen 1). Der Rückschluss aus der historischen Entwicklung, die legitime Fortpflanzung des Menschen primär im Rahmen der Ehe zu sehen, auf den Auftrag zur Vermehrung des Menschen in Gen 1 kann durchaus als Zirkelschluss verstanden werden.

Die Verbindung zweier Menschen dient vor allem dazu, dass der Mensch nicht allein sei. (Gen 2)

Das Neue Testament entwirft kein genuin christliches Ehebild. Auch Jesus findet die traditionelle Ehe als eine gesellschaftliche Realität vor. In seinen Aussagen zum Ehescheidungsverbot (Mt 19,3-12; Mk 10,2-12; Lk 16,16-18) nimmt Jesus aber doch Nuancierungen am vorliegenden Rechtsinstitut der Ehe vor. Seine Verschärfung des Verbotes der Ehescheidung kommt vor allem der Frau entgegen, die nicht einfach verstossen werden darf. Hier drückt sich eine Aufwertung der Frau aus, die nicht mehr einfach als Besitz des (Ehe)-Mannes gesehen wird.

In einem weiteren Punkt fügt das Neue Testament dem biblischen Eheverständnis eine weitere Nuance hinzu: Ehelosigkeit wird nun höher wertgeschätzt. Jesus selbst relativiert die Ehe, indem er sagt, dass sich einige um das Reiches Gottes willen zu Eunuchen machen (Mt 19, 10-12). Und angesichts des für die nähere Zukunft erwarteten Anbruches des Gottesreiches wird die Ehe teilweise für gar nicht mehr relevant erklärt (siehe etwa Mt 22,30).

Paulus, der grundsätzlich der Ehelosigkeit den Vorzug gibt, sieht in der Ehe vor allem ein Mittel, den Sexualtrieb in einer gebändigten und würdigen Form auszuleben. (1Kor 7,1-7)

Insgesamt sind so aus der Bibel nur schwer Vorgaben für das Eheverständnis zu finden. Uns scheinen aber zentrale Vorstellungen der Heiligen Schrift wie die des Bundes, der bedingungslosen Solidarität zwischen Menschen (siehe etwa Rut 1,16-17) oder des Liebesbegriffes gute Ansatzpunkte für ein aktuelles und biblisch verantwortetes Reden von der Ehe zu sein.

b. Das kirchliche Ehesakrament widerspiegelt eine kulturell-gesellschaftliche Realität und ist in seiner Sakramentalität theologisch schwierig zu begründen. Als kulturell-gesellschaftliche Institution unterlag die Ehe stets dem Wandel – auch in rechtlicher Hinsicht. Die Einführung einer «Ehe für alle» ist ein Ausdruck dieses Wandels.

Nicht nur bezüglich der Bibel, sondern auch der kirchlichen Tradition kann festgestellt werden, dass die Ehe als Institution vorgefunden und nicht eigentlich christlich begründet worden ist.

Im Kontext der anderen als Sakramenten bezeichneten kirchlichen Handlungen nimmt die Ehe einen Sonderstatus ein. Es gibt durchaus kirchliche Handlungen, die sich biblisch besser als Sakrament begründen liessen als die Segnung eines Ehepaares. Die Festlegung der Siebenzahl hat historisch-traditionelle Gründe und darf daher durchaus als relativ angesehen werden. Auf der Basis solcher historisch-traditioneller Gründe hat der Christkatholizismus an der Siebenzahl der Sakramente festgehalten.

Als gesellschaftlich-kulturelle Institution unterlag die Ehe stets dem historischen Wandel. Ausdruck dieses Wandels war etwa auch die Einführung der Zivilehe. Die Liebesheirat wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts zum Ideal. Die gesellschaftliche Stellung der Frau hat sich grundlegend verändert. Heute sind Ehescheidung und Wiederverheiratung nicht unüblich.
Die Hervorhebung der Ehe zwischen Mann und Frau als einziger Ort der rechtmässigen Nachkommenschaft ist heute nicht mehr zu rechtfertigen. Sie findet ihre Wurzel in einem patriarchalischen Verständnis der Geschlechterrollen, weil sie die grundsätzliche Angst des Mannes widerspiegelt, eine unrechtmässige Nachkommenschaft anerkennen zu müssen.

Nachdem die christkatholische Kirche seit jeher die zivile Ehe positiv bewertet hat, sieht sie die mögliche Einführung als einen neuen Schritt in der Geschichte der Ehe. Diesen Schritt begrüsst die Pastoralkonferenz ausdrücklich.

Eine Veränderung im Verständnis des Sakraments der Ehe ist keine Neuheit. Dies geschah bereits früher und geschieht auch heute, ganz unabhängig von der Frage der „Ehe für alle“. Auch andere Sakramente haben in der Geschichte einen Bedeutungswandel erfahren. Dies ist als kirchliche Entwicklung zu verstehen, von der wir glauben, dass sie unter der Leitung des Heiligen Geistes geschieht.

Angesichts der Ehe als gesellschaftlich-kultureller Institution im Wandel wird klar, dass wir als Kirche kein Monopol über den Begriff «Ehe» haben. Wir bestimmen nicht, was Ehe ist. Aber wir können diesem Begriff eine christliche Bedeutung geben. Das heisst, dass nicht ein Partner über den anderen herrscht, sondern dass eine Ehe eine ebenbürtige und von gegenseitiger Liebe getragene Beziehung ist. Diese Art des Zusammenlebens ist sakramental, zwei Menschen erfahren einander als heilbringendes Geschenk Gottes.

Als problematisch sehen wir ein Eheverständnis, das die Ehe auf eine Gemeinschaft mit dem Ziel der biologischen Reproduktion und der Nachkommenschaft reduziert. Ein solches Eheverständnis verletzt nicht nur Menschen, die in ihren Ehen gewollt oder ungewollt kinderlos geblieben sind, sondern führt letztlich auch zu einer Überbewertung der Sexualität als Hauptzweck und -inhalt der Ehe. Eine Partnerschaft kann auf verschiedenste Weisen fruchtbar sein.

c. Nach christkatholischem Verständnis handelt es sich beim Ehesakrament um die Segnung einer bereits geschlossenen Ehe. Die kirchliche Einsegnung der Ehe stellt diese unter den Segen Gottes. Auch gleichgeschlechtliche Paare werden bereits heute in der Christkatholischen Kirche gesegnet.

Die Christkatholische Kirche schliesst keine Ehen, sie segnet zivilrechtlich geschlossene Ehen/Partnerschaften. Sollte die Schweiz die Einführung der «Ehe für alle» beschliessen, wäre im Grunde die Nichtausweitung des Ehesakramentes auf gleichgeschlechtliche Paare eine Abweichung von der bisherigen christkatholischen Praxis und nicht die Einführung einer ebenfalls sakramentalen «Ehe für alle». Wenn die staatliche „Ehe für alle“ eingeführt wird und die Christkatholische Kirche Ehepaare zukünftig aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich behandeln würde, müsste die Frage nach einer möglichen Diskriminierung beantwortet werden. Nach christkatholischem Verständnis der Sakramentalität der Ehe ist eine Unterscheidung nach dem Geschlecht aus unserer Sicht nicht sinnvoll begründbar.

d. Der Wunsch zweier Menschen, ihre Ehe öffentlich unter den Schutz und Segen Gottes zu stellen, ist als Ausdruck ihrer Gottesbeziehung und Frömmigkeit unbedingt ernst zu nehmen.

Uns scheint der Wunsch eines Paares, die Ehe unter den Schutz und Segen Gottes zu stellen, als zentral und konstitutiv für den Empfang des Sakraments. Diesen Segenswunsch – den auch viele gleichgeschlechtliche Paare für ihre Beziehung haben – kann die Kirche durchaus als Ausdruck der Gottesbeziehung und der Frömmigkeit dieser Paare sehen. Vielleicht kann sie diesen Wunsch gar als Wirken des Heiligen Geistes verstehen. Dies muss gerade in einer Zeit, in der nur noch wenige Ehepaare auch eine kirchliche Segensfeier für ihre Ehe wünschen, ernst genommen werden.

Als Christkatholische Kirche leben wir unser Christentum in Freiheit und Verantwortung. Das bedeutet: Menschen gestalten ihr Leben innerhalb oder ausserhalb eines gesellschaftlichen Rahmens von bewussten und unbewussten Vorstellungen über Frauen, Männer, Heterosexuelle, Homosexuelle, Transmenschen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, im laufenden gesellschaftlichen Prozess das Bewusstmachen dieser Vorstellungen zu stärken und Zeichen für die Liebe und Treue Gottes zu jedem Menschen zu setzen. Die Ehe kann etwas von dieser bedingungslosen Liebe und Treue widerspiegeln.

e. Gleichgeschlechtliche Paare wünschen sich, gleichbehandelt und nicht diskriminiert zu werden. Ehen unterscheiden sich in zahlreichen Aspekten (Alter, Kinderwunsch, Erst-Ehe usw.). Daher erscheint es nur schwer begründbar, gerade im unterschiedlichen Geschlecht der Ehepartner* das ausschlaggebende Merkmal für eine Ehe zu sehen.

Unseres Erachtens darf es in der Kirche keine Diskriminierung geben. Dies schliesst eine Unterscheidung von Menschen nach Geschlechtsmerkmalen oder sexueller Orientierung aus. Jede auf Dauer angelegte Partnerschaft zwischen zwei erwachsenen Menschen, die den Segen Gottes für diese Partnerschaft wünschen, muss daher gleichbehandelt werden. Dies war eines der Hauptanliegen der Diskussion an der offenen Session der Nationalsynode 2020 in Zürich. Diese Diskussion muss als Ausdruck des Glaubenssinnes der Kirche ernst genommen werden. Es ist zudem nicht einsehbar, warum gerade die Frage des Geschlechtes oder der sexuellen Orientierung die allein entscheidende sein soll, da sich doch Ehepaare immer in vielerlei Merkmalen unterscheiden.

f. Der Segenswunsch des Paares und das Verbot jeglicher Diskriminierung kann nach Meinung der Pastoralkonferenz nur ernst genommen werden, wenn die Ehe ein Sakrament ist, das unterschiedslos für alle vor dem Staat getrauten Paare gilt.

Nur ein einheitliches Sakrament wirkt wirklich nicht-diskriminierend. Es ist der klar ausgedrückte Wunsch gleichgeschlechtlich liebender Menschen, gleich wie heterosexuell empfindende Männer und Frauen behandelt zu werden.

Ein einziges Ehesakrament für alle Partnerschaften wird gerade durch die Einheitlichkeit der Vielfalt der Ehesituationen gerecht. Ein einheitliches, allgemeines Ehesakrament verzichtet auf eine genaue Definition einer Ehe und bleibt gerade dadurch offen für die Vielfalt der Ehen und persönlichen Eheverständnisse.

Da in jedem Fall eine Partnerschaft/Ehe gesegnet wird (und nicht etwa eine bestimmte Rechtssituation herbeigeführt wird) ist eine Unterscheidung der zu Segnenden an sich unsinnig.

Nicht zuletzt entstünden so – nach einer allfälligen Einführung der zivilrechtlichen «Ehe für alle» – keine Differenzen gegenüber der staatlichen Lösung.

Aus unserer Sicht handelt es sich bei der Frage nach der Ehe nicht um eine zentrale Frage des Bekenntnisses, sondern um eine Frage der gesellschaftlich-kulturellen Aneignung des Glaubens, die sich in unterschiedlichen Kontexten auf je spezifische Weise stellt und von uns für unseren Ort und unsere Zeit beantwortet werden muss.

g. Um diese Einheit des Ehesakramentes auszudrücken, wird das Sakrament auch nach einer einheitlichen Liturgie gefeiert. Es liegt in der pastoralen Verantwortung der jeweiligen Pfarrer*innen, in der Gestaltung der Feier die konkrete Ehe-Situation zu berücksichtigen.

Die Pastoralkonferenz bevorzugt auch eine einheitliche liturgische Ausgestaltung des Ehesakramentes und sieht unterschiedliche liturgische Formulare für unterschiedliche Ehesituationen als nicht zielführend an. Zwar liessen sich solche unterschiedlichen Formulare etwa mit dem Verweis auf die Taufe (unterschiedliche liturgische Gestaltung von Erwachsenen- und Kleinkindertaufe) gut rechtfertigen. Bei der Taufe ist aber der sakramentale und liturgische Kern in beiden Fällen eine deutlich sichtbare Handlung – die Übergiessung des Täuflings mit Wasser.

Eine Taufe ist immer als eine Taufe zu erkennen. Ritueller Kern des Ehesakramentes ist aber das Segensgebet über die Eheleute, also ein reines Wort-Geschehen. Wo sich aber Worte unterscheiden, wird schnell das Ganze als unterschiedlich angesehen.

Es kommt etwas Weiteres hinzu: Verschiedene Ehepaare unterscheiden sich von anderen nicht nur darin, ob sie gleich- oder gegengeschlechtlich sind, sondern in zahllosen anderen Dingen (Alter, Altersunterschiede der Ehepartner, Kinderwunsch, Nationalität, etc.). Diese Unterschiede können zum Teil einschneidender sein als der des Geschlechtes und finden heute auch keine Berücksichtigung in den liturgischen Formularen.

Da Einsegnungen von Ehen eher selten und die ausführenden Pfarrer*innen dafür theologisch ausgebildet sind, ist es aus pragmatischen Gründen vorzuziehen, diesen auf der Basis eines einheitlichen Formulars die konkrete und individuelle Ausgestaltung der Feier in Absprache mit dem Ehepaar zu überlassen.

Pastoralkonferenz
Juli 2021