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Einfach heilig

Hannah Rembrandt Ganz
Rembrandt van Rijn (1606–1609): Die Prophetin Hannah (1639) © Kunsthistorisches Museum

Augen, die nichts mehr hält.
Augen, die vieles sahen.
Lieb‘, Leid und Freud‘.
Schuld, Glück und Sünd‘.
Nichts Menschliches
blieb diesen Augen fremd.

Ortloser Blick,
über alle Grenzen hinweg.
Schaut auf das Unschaubare.
Auf das Geheimnis.
Ein Blick dorthin, wo das Alles wie nichts
und das Nichts wie alles erscheint.

Erstaunt und gehalten zugleich.
Erfüllt von dem Licht, das sie bescheint.
Lautlos öffnet die Frau ihren Mund.
Sie spricht nicht, von dem,
was noch keine Worte hat.
Stumm schaut sie das Heil.

Sie ist alt.
Gräben der Zeit und Furchen des Leids
ziehen durch ihr Gesicht.
Doch die Augen sind jung.
Sie leben voller Erwartung.
Ihre Hoffnung ist stark.

Festlicher Mantel mit goldener Schliesse.
Kostbarer Stoff. Die Haube Brokat.
Doch all’das ist nichtig.
Weil sie schaut.
Ihr Schauen macht sie heilig
und schön.

Pfarrer Dr. Michael Bangert