Header

Hauptnavigation

Im Vertrauen voran – Hirtenbrief zur Fastenzeit 2025

France, Somme, Baie De Somme, Cayeux Sur Mer, The Kite Festival Along The Path Of The Boards And Beach Cabins

An die Christkatholikinnen und Christkatholiken

«Alles vermag ich durch den, der mich stärkt.» Philipper 4,13

Liebe Geschwister in Christus,

In einer Zeit grosser Herausforderungen und weitreichender Veränderungen darf ich mich zum ersten Mal als euer Bischof mit diesem Hirtenbrief an euch wenden, um meine Vision für die Zukunft unserer Kirche zu teilen. Gemeinsam tragen wir die Verantwortung, den Auftrag Christi lebendig zu halten: die Verkündigung des Evangeliums, die Stärkung unseres Glaubens und die Begleitung der Menschen in ihrem Leben. Dabei stehen wir nicht nur vor spirituellen Aufgaben, sondern auch vor strukturellen, sozialen und kulturellen Fragen, die uns als Gemeinschaft fordern.

Unsere christkatholische Kirche ist reich an Potenzial – an Menschen, Talenten, Spiritualität und einer langen Tradition, die uns trägt. Doch dieser Reichtum verpflichtet uns auch, diese Gaben mit Mut und Kreativität in die Zukunft zu tragen. Lasst uns daher gemeinsam innehalten, reflektieren und aufbrechen, um die Herausforderungen von heute und morgen aktiv anzunehmen.

«Gott selbst ist es, der uns hält! Mitten in den Unsicherheiten des Lebens dürfen wir Trost und Orientierung finden – nicht aus eigener Kraft, sondern aus der unerschöpflichen Liebe Gottes.» Foto: Shutterstock

Unsere Mission: Warum sind wir hier?

Der Kern unseres Auftrags ist die Verkündigung des Evangeliums. Doch was bedeutet das in einer säkularen Gesellschaft, in der die religiöse Sozialisierung immer weniger gelingt? Es bedeutet, dass wir uns erneut fragen müssen: Warum sind wir da? Was können wir tun, um den Glauben authentisch und lebensnah zu vermitteln?

Wir brauchen Mut, uns diesen Fragen zu stellen – ehrlich und visionär. Das Evangelium ist Hoffnung, Freude, Gerechtigkeit, Frieden, Versöhnung und Liebe. Lasst uns diese Botschaft mit Begeisterung leben und Menschen einladen, Teil einer offenen und lebendigen Christus-Gemeinschaft zu sein! Dazu sind alle Menschen eingeladen, die guten Willens sind – in all ihrer Vielfalt, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Status oder der Liebe, die sie in ihren Herzen tragen.

Doch das bedeutet auch, dass wir Raum für Fragen lassen. Glauben heisst nicht, auf alles eine Antwort zu haben. Im Gegenteil: Es ist ein Weg, den wir gehen – mit Licht und Schatten, mit Zweifeln und Hoffnungen.

Vertrauen – Ein Glaube, der Raum gibt

Wo bleiben wir mit dem Zerbrochenen, mit der Dunkelheit und mit den Enttäuschungen unseres Lebens? Was machen wir mit der Schuld, die wir auf uns geladen haben? Was wird mit den Widersprüchen, aus denen wir manchmal kaum noch herauskommen? Wer hält das aus? Wer hält uns aus? Wer steht zu uns? Wer geht mit uns? Und wer bleibt bei uns – so wie wir sind?

Diese Fragen sind keine leichte Kost, sondern oft schwer zu ertragen. Doch mitten in den Unsicherheiten des Lebens können wir Trost und Orientierung finden. Gott selbst ist es, der uns hält! Mitten in den Unsicherheiten des Lebens dürfen wir Trost und Orientierung finden – nicht aus eigener Kraft, sondern aus der unerschöpflichen Liebe Gottes. Diese Liebe bleibt, trägt und verwandelt.

Unsere Kirche soll ein Ort sein, an dem diese Fragen gestellt werden dürfen – ohne Angst, ohne Scham. Hier, in der Gemeinschaft des Glaubens, erfahren wir, dass wir angenommen sind – nicht trotz, sondern mit unseren Brüchen.

Auch wir – du und ich – sind aufgerufen, füreinander da zu sein: einander zuzuhören, uns gegenseitig zu stützen und füreinander einzustehen. Ganz in den eindringlichen Worten der jüdischen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer: ‚Seid Menschen!‘

Es geht nicht darum, dass der Glaube alle Fragen beantwortet. Aber er gibt ihnen einen Raum. Detlev Block schreibt treffend:

“Nicht an Sprüchen gemessen werden.
Keine Schau abziehen müssen.
Den Schild absetzen dürfen,
ohne verwundet zu werden.
Keine Entschuldigung nötig haben.
Nichts erklären, nichts beweisen müssen.
Verstanden, angenommen sein,
wie man ist, wortlos.”

«Auch wir – du und ich – sind aufgerufen, füreinander da zu sein: einander zuzuhören, uns gegenseitig zu­ stützen und füreinander einzustehen.» Foto: Shutterstock

Die Botschaft des Evangeliums ist eine Einladung: Gott liebt uns so, wie wir sind. Doch diese Liebe ist nicht nur Trost, sondern auch Ansporn – ein Ruf zur Veränderung, zur Umkehr, zum Neuanfang. Gerade weil wir geliebt sind, dürfen wir wachsen und uns verwandeln.

Das Kreuz erinnert uns daran: Wir sind gehalten – auch in unseren Widersprüchen. Es ist das Zeichen, dass wir nicht allein sind. Jesus Christus ist diesen Weg gegangen, durch Dunkelheit und Zweifel hindurch, hin zum Licht, zur Auferstehung.

Gemeinsam gestalten: Verantwortung und Nähe

Unsere Kirche wird dann stark sein, wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen – Laien und Geistliche, Ehrenamtliche und Hauptamtliche. Wir alle sind gerufen, an der Gestaltung der Zukunft mitzuwirken.

Dies erfordert klare Strukturen, eine transparente Kommunikation und eine gute Personalplanung. Es braucht Raum für Mitbestimmung und Mitsprache, aber auch die Bereitschaft, Kräfte zu bündeln und Prioritäten zu setzen. Dabei gilt: Wir dürfen experimentieren, wir dürfen scheitern und wir dürfen Dinge loslassen. Wir müssen nicht alles tun, aber was wir tun, soll aus unserem tiefen Glauben an die befreiende Botschaft Jesu Christi kommen.

Besonders wichtig ist es, unsere personellen Ressourcen achtsam einzusetzen, um Überlastung zu vermeiden. Wir müssen darauf achten, dass sowohl unsere hauptamtlichen Mitarbeitenden als auch die Freiwilligen ihren Dienst mit Freude und Zufriedenheit ausführen können.

Seien wir zutiefst dankbar für alle, die sich in unserer Kirche, unseren Kirchgemeinden, Gottesdiensten und vielen grossen und kleinen Projekten engagieren. Vielleicht nehmen wir uns eine Regel zu Herzen: Bevor wir andere kritisieren oder beurteilen, machen wir es selbst besser – oder anders. Das wäre ein grosser Schritt hin zu mehr Frieden, mehr Achtung, mehr Wohlwollen – und mehr Freude. Packen wir es an – versuchen wir es!

Eine Kirche der Begegnung

Lasst uns von einer Betreuungskirche zu einer Begegnungskirche werden. Das bedeutet, näher bei den Menschen zu sein: präsent in den Gemeinden, in Gottesdiensten, in Gesprächen und im alltäglichen Leben. Es bedeutet, dass wir Gemeinschaft erleben und fördern – in der Liturgie, in gemeinsamen Projekten und im persönlichen Austausch.

Unsere Gottesdienste sollen reich, berührend und zeitgemäss gestaltet sein, dabei aber immer aus der Tiefe unseres Glaubens und unserer katholischen Tradition schöpfen. Musik, Sprache und Rituale können Brücken bauen, um die Herzen der Menschen zu erreichen.

«Veränderung bedeutet, Mauern zu überwinden – Mauern der Angst, des Festhaltens am Alten, des Misstrauens.» Foto: Alamy

Mut zur Veränderung

Veränderung geschieht nicht ohne Reibung. Wir müssen den Mut haben, uns den Herausforderungen zu stellen, Diskussionen zu führen und auch Konflikte nicht zu scheuen. Nur so kann Neues entstehen.

Doch Veränderung bedeutet nicht, sich blind dem Zeitgeist anzupassen. Veränderung bedeutet, Mauern zu überwinden – Mauern der Angst, des Festhaltens am Alten, des Misstrauens.

Mein Wahlspruch lautet: „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern.“ Dieser Vers aus dem 18. Psalm ist für mich eine Quelle der Kraft und der Hoffnung.  Er erinnert mich daran, dass wir nicht nur aus eigener Kraft handeln, sondern zuerst aus der Kraft Gottes. Mit IHM können wir Grenzen überschreiten, neue Wege gehen, Barrieren des Denkens und des Herzens überwinden.

Lasst uns diese Haltung für unsere Kirche fruchtbar machen. Eine Kirche, die sich nicht von Mauern aufhalten lässt – Mauern aus Angst, Trägheit oder Resignation –, sondern mutig nach vorne geht, weil sie weiss: Mit Gott ist mehr möglich, als wir uns vorstellen können.

Das bedeutet nicht, dass wir uns leichtfertig von unseren Traditionen lösen oder Bewährtes und Vertrautes über den Haufen werfen. Doch wenn wir es nicht hinterfragen dürfen, wird es zum Dogma und Gesetz – und steht damit dem Menschen und der Liebe entgegen.

Eine Kirche zwischen Tod und Auferstehung

Liebe Schwestern und Brüder, unsere Kirche lebt zwischen Tod und Auferstehung. Wir sehen die Herausforderungen, die uns bedrängen – von der Säkularisierung bis zum schwindenden Vertrauen. Doch wir glauben an den Gott, der Leben schenkt, wo wir es nicht erwarten.

Seien wir eine österliche Kirche – voller Hoffnung, Leben und Freude!

Lasst uns gemeinsam aufbrechen, wie die Jüngerinnen und Jünger am Pfingstmorgen: gestärkt durch den Geist Gottes, erfüllt von Freude und der Gewissheit, dass unser Weg Segen bringen wird.

Unsere Kirche ist reich an Möglichkeiten – lasst uns diese nutzen, um eine Gemeinschaft zu bauen, die Gott ehrt und den Menschen dient.

Im Vertrauen voran – so gehen wir unseren Weg, getragen von der Zusage des Apostels Paulus: „Alles vermag ich durch den, der mich stärkt.“

Der Herr segne uns mit Mut, der über Zweifel hinausgeht, mit Glauben, der Berge versetzt, und mit einer Liebe, die uns verbindet. Er schenke uns die Gewissheit, dass wir in seinen Händen geborgen sind – heute, morgen und alle Tage unseres Lebens.

Es segne uns der dreieinige Gott: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

In Verbundenheit und im Gebet,

Euer
+ Frank Bangerter