«Köchin von Speisen für Leib und Seele»

Diakonin Karin Schaub arbeitet seit 1989 als Diakonin in der Kirchgemeinde Basel-Stadt. Sie hat die Entwicklung des Amtes von Anfang an miterlebt und mitgestaltet. Ein Blick auf 30 Jahre in einer wortwörtlich «dienenden» Rolle als Diakonin.
CK: Karin Schaub, Sie sind seit 30 Jahren als Diakonin im Amt. Verspüren Sie nach so langer Zeit im Dienste der Kirche keine Amtsmüdigkeit?
Karin Schaub: (überlegt kurz) Nein, ich bin froh und dankbar, dass ich Diakonin geblieben bin.
War Ihr Entscheid fürs ständige Diakonat schon damals so klar?
Es hat sich damals so ergeben. Für mich war die Frage «Hebamme» oder »Gynäkologe», um es an einem anderen Beispiel aufzuzeigen. Auf was ich mich einliess, war vor 30 Jahren nicht absehbar.
Warum das?
Das Diakonat stand noch ganz am Anfang. (Doris Zimmermann hatte sich noch vor mir für diesen Schritt entschieden.) Wie die Ausbildung von Diakoninnen und Diakonen aussehen sollte, war noch im Entstehen. Voraussetzung war eine Berufsausbildung. Ich unterrichtete als Kleinklassenlehrerin. Dass ich schliesslich ins Diakonat wechselte, lag auch an Hans Gerny, der damals Pfarrer in Basel war und mir das Amt «schmackhaft» machte.
Dann war der Einstieg eine Art «learning by doing»?
Ganz genau. Es war ein stetiges Zurechtfinden, denn was genau zu meinen Aufgaben gehört und wie das Amt zu führen sei, war «nur» durch den Inhalt des Weiheversprechens und den Satz, den Bischof Hans Gerny mir in seiner Weihepredigt hinterliess «und – ach – alle lieben!», definiert. Genau so unsicher war die finanzielle Situation. Ich versah eine 40-Prozent-Stelle, was mir zum Leben knapp ausreichte.

Hans Gerny.
Dann waren Sie im Grunde genommen eine «Arbeiterinnendiakonin»?
Ja, wobei ich mich – wider der Anfangsüberlegung, dass ich auch weiterhin im Schuldienst tätig bleibe –, voll aufs Diakonat konzentriert habe und mit dem kleinen Gehalt mein Leben bestreiten konnte und wollte. Ich bin kein Mensch, bei dem das Leben voll abgesichert sein muss, sonst hätte ich wohl den Schritt vom sicheren Lehramt zur «Vollblut»- Diakonin gar nicht gewagt.
Was hat sich denn in den 30 Jahren im Diakonat verändert?
(Karin Schaub schmunzelt) Wahrscheinlich vor allem ich (auf dem Tisch liegt ein Foto von ihr, das sie bei ihrer Diakonatsweihe zeigt). Bei meiner Arbeit dürfte es das Bedürfnis der Menschen nach einer spirituellen Heimat sein, das grösser geworden ist und viel mehr Raum einnimmt.
Worauf führen Sie das zurück?
Je unsicherer die Welt wird –, wenn ich das einmal so salopp formulieren darf –, desto mehr wächst die Sehnsucht nach Geborgenheit. Gleichzeitig nimmt die geistige Entwicklung der Menschen in unserer Zeit enorm zu! In dieser Entwicklung suchen die Menschen Unterstützung und Begleitung. Dafür eignet sich das Diakonat und eigne ich mich; ein Talent, das mir von oben geschenkt worden ist.
Diakonin ist das niedrigste Weiheamt. Spüren Sie das bei Ihrer Arbeit?
Nein. Ich verspüre eine grosse Wertschätzung gegenüber meinem Dienst in der Kirche. Und durfte diese Wertschätzung schon vor 30 Jahren erfahren. Natürlich vor allem in der eigenen Kirchgemeinde, aber durch die gesamtkirchliche Arbeit und meine langjährige Öffentlichkeitsarbeit bei Radio und Lokalfernsehen auch weit über die Kantonsgrenze hinaus! Dafür bin ich sehr dankbar!
Woran zeigt sich diese Wertschätzung?
Wir haben in unserer Gemeinde eine Form des diakonalen Gottesdienstes gefunden, die neben der Eucharistiefeier voll akzeptiert und von den Leuten in gleicher Weise besucht wird. Es ist nicht nur ein «Ersatzgottesdienst», weil der Pfarrer an diesem Sonntag frei hat (was sich auch daran zeigt, dass der Pfarrer die Lichtfeier meist in der Gemeinde mitfeiert). Die Botschaften Christi sind voller «Anwesenheitsbotschaften»; die diakonale Feier basiert vor allem auf der Botschaft der «Ich bin»-Botschaften aus dem Johannesevangelium; im speziellen natürlich auf dem Wort: «Ich bin das Licht der Welt.» In dieser «Lichtfeier», wie wir sie darum in Basel seit Kürzerem bezeichnen, steht das Lichtritual im Zentrum, ebenso wichtig sind aber auch das Fürbittegebet und die «schmackhafte und alltagsangepass-
te» Verkündigung der christlichen Botschaft!
Das tönt hoffnungsvoll und zukunftsweisend. Allein: Das ständige Diakonat scheint in unserer Kirche ein Mauerblümchen zu sein. Im Gebetsbuch nimmt der Diakonale Fürbittgottesdienst keine ganze Seite ein und die Anzahl an DiakonInnen ist bescheiden. Warum sind Sie dennoch solange im Amt geblieben?
Weil es eine faszinierende Aufgabe ist, Menschen den Glauben schmackhaft zu machen. Ja, das Bild der Köchin scheint mir passend. Jene Zutaten zu finden, die die Menschen für ihr spirituelles Leben brauchen, die sie nähren und für sie zur göttlichen Offenbarung werden. Deshalb wohl habe ich vor 13 Jahren auch die «Offenbar» ins Leben gerufen, in der ich hin und wieder koche. So gesehen bin ich hier wie dort eine «Köchin von Speisen für Leib und Seele».
Franz Osswald