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Macht Gott wirklich Ernst mit der Liebe?

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«Liebe Freunde, weil uns Gott so sehr geliebt hat, sollen auch wir einander lieben.» (1. Joh. 4,11)

Der heilige Pfarrer von Ars, mit bürgerlichem Namen Jean Vianney, lebte im 19. Jahrhundert in Frankreich und hatte die Gabe der Herzensschau. Daraus erwuchs ihm die Fähigkeit, seinen Beichtkindern oft kluge, immer aber tröstliche Ratschläge mit auf den Weg zu geben.

Von ihm wird folgende Anekdote überliefert:
Einmal kam eine Frau ganz verzweifelt zum Pfarrer von Ars und sagte: «Mein Mann hat sich von einer Brücke in den Fluss gestürzt und sich so das Leben genommen. Wird er nicht ewig verloren sein?» Der Pfarrer von Ars sagte darauf: «Liebe Frau, für die Gnade Gottes genügt die Zeit vom Absprung von der Brücke bis zum Untertauchen im Fluss. Ihr Mann ist gerettet in Gott.»

Von Gott und seiner Liebe denkt man im Allgemeinen zu klein. Die Aussage des Pfarrers von Ars war im 19. Jahrhundert theologisch grenzwertig, denn Menschen, die Suizid verübten, hatten damit eine Todsünde auf ihr Gewissen geladen und gingen so des ewigen Lebens verlustig. Als Zeichen dafür wurden sie deshalb vor und nicht innerhalb der Friedhofsmauern bestattet. Natürlich wusste dies der heilige Pfarrer. Das hinderte ihn aber nicht daran, kreativ zu denken und die landauf landab geglaubte, aber eigentlich unmenschliche Theologie mit einer grösseren, ja unüberbietbaren Wahrheit in den Schatten zu stellen: Für Gottes Liebe und Barmherzigkeit gibt es kein Zeitmass, denn Gott erreicht ohne jede Verzögerung das Herz, egal in welcher Ausnahmesituation sich der Mensch befindet. Beide aber benötigen Mut zu diesem Glauben: Jener, dem die Gnade widerfährt, aber auch jener, der von aussen zusieht und dem der Schrecken ins Gesicht geschrieben steht.

Simon Huber