Symbol des Friedens
Der Ölbaum
Anfang und Mitte November beginnt im Mittelmeergebiet die Olivenernte. Die Früchte werden mit verschieden langen Gabeln, die wie ein Dreizack aussehen, von oben nach unten abgestreift. Dieser Vorgang hat fast etwas Liebevolles an sich, will man doch die Früchte nicht verletzen. Noch am selben Tag müssen die Oliven zur Mühle gebracht und gepresst werden, wenn sie die höchste Qualität erreichen sollen.
Es gibt nur wenige Pflanzen, die so ein hohes Alter erreichen wie die Ölbäume. Am Fusse des Ölbergs ist der Ölbaumgarten Getsemani, der nach einer alten Ölpresse benannt ist – hebräisch Gat-Shaminum, was Ölpresse heisst. In diesem Garten stehen Bäume mit dem «biblischen Alter» von 1000 und 2000 Jahren und es ist gut möglich, dass sie schon zur Zeit Jesu an diesem Ort standen, denn Jesus kniete dort in der Nacht vor seiner Gefangennahme nieder: «Er ging auf den Ölberg hinaus, wie er es gewohnt war. Die Jüngerinnen und Jünger folgten ihm (Lukasevangelium 22, 39)». Ausser dieser
Vertrautheit von Christus mit dem Ölberg steht auch die Bezeichnung Christus in einem Bezug zum Ölbaum, denn «Christos» ist der von Gott mit Öl Gesalbte (griechisch «chriein» heisst auf Deutsch «salben»).
Noch an über 150 anderen Stellen in der Heiligen Schrift kommen die bis zu 10 Meter hohen Bäume vor. Der Olivenbaum, mit seinem lateinischen Namen «Olea europaea», wächst sehr langsam, ist widerstandsfähig, lebt bescheiden, liebt sandigen, kalkhaltigen Boden und ist ausharrend genug, um jeden Tropfen Wasser aus dem Boden zu holen. Man sieht nämlich nur die eine Hälfte der Pflanze, denn diese Bäume werden von einem riesigen Wurzelwerk getragen.
Ein Keim für die Zukunft
«Wer einen Ölbaum pflanzt, setzt ihn für seine Kinder und Enkel», sagt eine jüdische Redensart. «Er setzt einen Keim für die Zukunft im Vertrauen auf weite Zeiträume. Keine Rede von zinsträchtigen Einsätzen, die bloss eigene Taschen füllt. Wer einen Ölbaum pflanzt, sieht von sich selbst ab und richtet seinen Blick auf die Nachkommen. Er trägt eine Vision in sich, hat einen Sinn für das Kommende.»
Vor anderen glänzen
«In alter Zeit salbten sich die Männer ihre Stirnen mit Olivenöl ein, damit diese glänzten. Sie wollten damit besser aussehen. Auf diese Weise hat sich die noch heute gebräuchliche Redewendung «vor anderen glänzen» übertragen, was so viel heisst wie: Vor anderen gut –und vielleicht ein bisschen besser – dastehen.»
Ein Ölbaumblatt in
ihrem Schnabel«Noah wartete noch einmal sieben Tage. Dann liess er die Taube wieder aus der Arche. Und die Taube kam um die Abendzeit zu ihm zurück – und sie trug ein abgerissenes Ölbaumblatt in ihrem Schnabel. Da wusste Noah, dass die Wasser gesunken waren auf der Erde.»
Buch Genesis, 8, 10-11
Baum aller Bäume
«Der Ölbaum ist der Baum aller Bäume, ich liebe ihn.
Erhard Kästner (1904–1974)
Er hat den Segen, die Stille. Er ist das Altwerdenkönnen.
Er ist die bildgewordene Geduld und die bildgewordene Zeit.»

Niklas Raggenbass