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Verzeihen – heilen

«Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast. Hättest du nicht auch mit deinem Mitknecht Erbarmen haben müssen?»

Matthäus 18, 33

Nennen wir ihn Aaron. Er arbeitet auf einem Gutshof, ein gmögiger Mensch, sein Chef mag ihn. Wenn da nur nicht sein lockerer Umgang mit dem Geld wäre. Schulden häufen sich an, sein Chef gibt ihm immer wieder Kredit. Bis es ihm doch zu bunt wird. «Jetzt musst du zurückzahlen.» Womit? Aaron jammert, der Chef hat Erbarmen, er erlässt ihm seine Schulden. Sehr vornehm!

Jetzt hat Aaron zwar keine Schulden mehr, aber auch kein flüssiges Geld. Das will er sich nun bei seinem eigenen Schuldner Ben holen. Brutal und rücksichtslos, denn auch dieser hat nichts übrig. Daher sollte er ins Gefängnis, bis alles beglichen ist. Aber man sieht es und hinterbringt es dem Chef. Und der kennt jetzt keine Gnade mehr. Er übergibt Aaron den Folterknechten, bis alle Schuld getilgt ist. Durchaus konsequent.

Gefällt uns dieser Schluss wirklich? Recht geschieht dem ertappten Bösewicht. Aber! Der Bösewicht war ja auch mal Aaron der Gmögige, die Frohnatur, der gelegentlich Leichtsinnige, der sich seines Handelns nicht immer genug bewusst ist. Der zwar ab und zu einen schmerzhaften Schuss vor den Bug bekommt, das schon, der sich aber immer wieder ins Unverbindliche flüchtet. Bis eines Tages sozusagen sein innerer Gutsherr eingreift und die Illusion, dass ihn das leichte Leben locker durch die Jahre bringen werde, pulverisiert. Und dann kommen da plötzlich die düsteren «Folterknechte». Die Zeit, in der das Fundament der schönen Gewohnheiten brüchig, wo bisher Aufregendes fad wird. So lange, bis schliesslich, alles aufgearbeitet, abbezahlt ist. Bis Vergebung gewährt und damit auch empfangen werden kann. Und dann kann neues, befreites Leben beginnen: Aaron findet zu seinem Chef und zu seinem Kumpel Ben zurück. Befreiend.

Niklaus Reinhart