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Geschichte der Epiphanie-Kirche

Götterhügel und Stadtbrunnen

Wo vor rund zweitausend Jahren der keltisch-römische Gott Belenus, auf welchen der Name der Stadt Biel zurück gehen soll, verehrt wurde, steht heute oberhalb der Altstadt, die 1903 gebaute Epiphanie-Kirche. Die daneben liegende Römerquelle wurde vor dem 19. Jahrhundert Brunnquelle wie auch Stadtbrunnen genannt. Dies aus gutem Grund: Eine solche verlässliche und gut geschützte Lieferantin von genügend sauberem Wasser war für die Gründung einer Siedlung elementar.

Es war keine Seltenheit, dass Kirchen auf ehemaligen Kultusstätten gebaut wurden. Man kann aber schwer behaupten, dass eine Wasserquelle auch eine häufige Voraussetzung für einen Kirchenbau gewesen wäre. Doch ein wunderschönes Symbol für eine Kirche bleibt eine Quelle allemal.

Heute «fliesst» neben der Kirche nicht nur die Römerquelle, sondern auch die Läubringerbahn.

Im Gegensatz zur Wasserquelle kann sie auch aufwärts fliessen. Natur und Kultur rahmen das Gotteshaus, auch dies ein schönes Bild für eine Kirche.

Erscheinung

Man sieht, so manches ist auf diesem Hügel «in Erscheinung» getreten. Doch dies war nicht der Grund, weshalb die Kirche auf den Namen Epiphanie, das griechische Wort für Erscheinung, geweiht wurde. Wahrscheinlicher ist das Datum der Einweihung.

Das Fest der Epiphanie am 6. Januar ist weitläufig besser bekannt unter dem Namen «Dreikönigstag». Zahlreiche Kirchen in der Schweiz und in Deutschland tragen denn auch den Namen Hl. Drei Könige. Interessanterweise aber findet man kaum Kirchen mit Namen Epiphanie. In Deutschland sind es deren drei, in der Schweiz nur eine. Diese Bieler Epiphanie-Kirche wurde am kirchlichen Fest zu Epiphanie am 10. Januar 1904 eingeweiht vom damaligen und ersten Bischof der Christkatholischen Kirche der Schweiz, Eduard Herzog. An Epiphanie wird die Erscheinung Gottes in seiner Menschwerdung gefeiert.

Die erste Katholische Gemeinde Biel

Durch die Reformation waren in Biel, wie in anderen reformierten Regionen, katholische Gottesdienste während Jahrhunderten verboten. Dieses Verbot musste jedoch fallen, als die im 19. Jahrhundert in Kraft getretene Bundesverfassung die Glaubens- und Gewissensfreiheit garantierte.

So wurde 1865 den Katholikinnen und Katholiken der Stadt Biel in einem ersten Schritt der Status einer Pfarrgenossenschaft verliehen. Seit 1870 feierte diese Pfarrgenossenschaft ihre Gottesdienste in der neugebauten Krypta der später erstellten Marienkirche. 1873 anerkannte der Kanton Bern die katholische Pfarrgenossenschaft als Kirchgemeinde.

In die gleiche Zeit fallen grosse Diskussionen um das Papsttum, die auch für die Katholische Kirchgemeinde Biel Folgen haben sollte. Zwei neu eingeführte Dogmen führten zu heftigen Auseinandersetzungen. 1870 wurden das Unfehlbarkeitsdogma und der Jurisdiktionsprimat des Papstes auf dem 1. Vatikanischen Konzil (1869/70) beschlossen. Ein kleiner Teil der Konzilsteilnehmer wandte sich gegen diesen Entscheid. Daraus entstand eine Bewegung romfreier Katholiken, die wegen ihrer Gesinnung exkommuniziert wurden. Die Bewegung fand ihren Weg auch in den Kanton Bern und damit nach Biel. Ein guter Teil der Mitglieder der Katholischen Kirchgemeinde Biel teilte diese Gesinnung und schloss sich der neuen liberalen Ausrichtung des Katholizismus, die die päpstlichen Lehren nicht mehr anerkannte, an.

In der Schweiz entstanden aus dieser Bewegung christkatholische Kirchgemeinden, die sich 1872 zur Christkatholische Kirche der Schweiz konstituierten.

Ab November 1873 waren die Gottesdienste in der Marienkirche de facto christkatholisch. Die romtreuen Gläubigen feierten ihr Gottesdienste deshalb zuerst in einem Privathaus neben der Marienkirche, dann in einer Notkirche auf dem Gelände. Dass das keine friedliche Angelegenheit, geschweige denn eine Lösung sein konnte, versteht sich von selbst.

Durch ein grossrätliches Dekret wurde die Katholische Gemeinde Biel 1898 aufgehoben. Neu gab es nun zwei staatlich anerkannten katholische Kirchgemeinden in Biel; eine römisch-katholischeund eine christkatholische. Nach vielen Streitereien zwischen den beiden Gemeinden und Diskussionen mit der Einwohnergemeinde Biel (unterdessen Eigentümerin der Marienkirche) trat 1903 die christkatholische Kirchgemeinde ihren Anteil an der Marienkirche ab und erhielt dafür eine Entschädigung von 50000 CHF. Damit war die Möglich- und auch Notwendigkeit zum Bau einer neuen Kirche gegeben. In weniger als einem Jahr entstand so

1903 die Epiphanie-Kirche.

Der Kirchenbau und seine Nebengeräusche

Der Spatenstich erfolgte am 5. Mai 1903. Schon am 22. August fand die „Aufrichtete“ des Kirchturms statt. Das Protokoll der Kirchgemeinderatssitzung vom 21. August 1903 hält dazu fest: „Morgen, Samstag den 22. August, wird auch der Turmhelm in Holz aufgerichtet sein. Es wird beschlossen, zu diesem Anlass den Arbeitern (30 Maurer und 15 Zimmerleute) je eine warme Wurst mit Salat und 2 Liter Bier (…) in der Brasserie Seeland verabreichen zu lassen.“

An der Sitzung vom 4. September geht es nun um das Innenleben der Kirche: „Der Pfarrer wünscht, dass ein prinzipieller Beschluss gefasst werde, ob durch die Konstruktion der Bänke Gelegenheit zum Knien gegeben oder benommen werde.“ Im Einverständnis mit dem Pfarrer befand man, dass „die Gemeinde stehend ebenso ihre Andacht bezeugen kann“, und beschloss deshalb, auf die Kniebank zu verzichten und nur „Fussschemel“ anzubringen.

Viele solcher Protokolle geben Einblick nicht nur in die rein baulichen Fragen, sondern auch in theologische Überlegungen. Andere Berichte zu diesem Bau zeugen zusätzlich von den tiefen Verwerfungen zwischen den beiden katholischen Gemeinden.

Am 9. Januar 1904 berichtet der Schweizer Handelscourier unter Lokalchronik Biel und Umgebung – Die neue christkatholische Kirche in Biel: „Doch ist es nun endlich den Christkatholiken vergönnt, als Lohn für ihre Friedensliebe nach einer Zeit der kirchlichen Obdachlosigkeit in ein eigenes Gotteshaus einzuziehen, nachdem sie vertragsgemäss am 15. September die alte Kirche verlassen mussten. (…) Nun ist der langjährige Streit beendet, nun können die Katholiken beider Richtungen getrennt ihr Ziel ruhig verfolgen. Möge die neue Kirche an der Römerquelle in alle Zukunft eine Stätte des Friedens und der Liebe sein und aus ihr, wie neben ihr das erfrischende Wasser aus der alten Quelle, Segen für die Bewohner unserer Stadt entströmen.“

Ob sich die christkatholische Gemeinde wirklich immer so friedliebend verhalten hat, bleibt zu bezweifeln. Dieser Text lässt erahnen, wie tief die Gräben zwischen den beiden katholischen Konfessionen auch nach der Fertigstellung der Epiphanie-Kirche noch waren. Die konfessionellen Auseinandersetzungen waren mit dem Bau der Kirche von beiden Seiten her wohl noch lange nicht aus der Welt geschafft. Es sollte (nicht nur in Biel) Jahrzehnte dauern, bis aus dem missgünstigen Nebeneinander schweizweit ein ökumenisches Miteinander wurde.

120 Jahre Epiphanie-Kirche

2024 fiel der Epiphanie-Gottesdienst, der jeweils an einem Sonntag vor oder nach dem 6. Januar gefeiert wird, auf den 7. Januar. In einem feierlichen Gottesdienst erinnerte sich die Kirchgemeinde an den Weg, den die Bieler Christkatholikinnen und Christkatholiken in den letzten 120 Jahren gegangen sind. Viel hat sich verändert.

Ein Kirchengebäude ist für eine Gemeinde wichtig. Hier werden Freudenfeste genauso gefeiert wie Trauermomente miteinander geteilt. Hier vertieft man sich gemeinsam beim Empfang von Brot und Wein in Lebensfragen (die jede und jeder sicher ganz unterschiedlich beantworten wird) und tauscht sich nochmals bei Brot und Wein gesellig aus

Ein Gewinn ist, dass Kirchen heutzutage vielfältiger genutzt werden können. So ist es eine Freude, dass in der Epiphanie-Kirche nicht nur unterschiedliche Konfessionen Gottesdienste feiern, sondern dass immer wieder Konzerte und sonstige Veranstaltungen stattfinden können.

Natur und Kultur

Eine Kirche ist der Kultur zuzuordnen – dabei nicht nur das Kirchengebäude. Ein Gottesdienst ist im weitesten Sinne ein kulturelles und durch die Liturgie und Musik ein ästhetisches Ereignis. Philosophisch-religiöse Fragen und deren Vollzug in der Liturgie sind ein gemeinsames Erlebnis – im Sinne des Wortes: im Gemeinsamen belebend. Dasselbe gilt für Musik und sonstige Kunstformen.  Leben in unterschiedlichen Facetten ist das Zentrale für einen solchen Ort.

Wasser als unabdingbare Lebensgrundlage sowie eine Bahn, die Menschen gemeinsam an einen Ort bringt, sind deshalb eine schöne Rahmung einer Kirche. Kultur entsteht nur im Zusammenspiel mit Natur – ob man nun den Sitz eines alten Gottes auf einem Hügel verortetet, eine Kirche baut oder ein Transportmittel einrichtet. Zu hoffen ist dabei allein, dass nicht Streitereien dazwischen stehen, sondern dass die Vielfältigkeit uns lebendig und offen macht

Pfrn. Liza Zellmeyer