Der Fels, auf dem Jesus vermutlich ruhte

Prof. Moropoulou (hinten) und die drei Vertreter der Kirchen, im Vordergrund Patriarch Theolphilos III von Jerusalem, der Custos der Lateiner und der armenische Vertreter. (Foto: Moropoulou)

Die Restauration der Grabeskapelle durch Prof. Dr. Antonia Moropoulou (Athen) hat die Felsenmasse der Höhle zum Vorschein gebracht, in der Jesu Grab seit dem 4. Jahrhundert vermutet wird. Moropoulou hat ihre Forschungsergebnisse an der Universität Bern präsentiert.

Antonia Moropoulou, Professorin für chemisches Ingenieurwesen an der Nationalen Technischen Universität Athen, hielt auf Einladung des Instituts für Christkatholische Theologie einen Vortrag über die Restaurationsarbeiten an der Grabeskapelle (Ädikula) in Jerusalem. Prof. Dr. Angela Berlis eröffnete die Veranstaltung bei vollem Hörsaal und begrüsste unter anderen die griechische Botschafterin, die Vertreterin der israelischen Botschaft, den Bischof von Basel sowie Kolleginnen und Kollegen verschiedener Schweizer Universitäten. Ass. Dr. Stefanos Athanasiou führte kurz in die verschiedenen Bauphasen der Grabeskirche vom 4. Jahrhundert bis heute ein und wies dabei auf ihre besondere ökumenische und inter-
religiöse Bedeutung.

Ädikula vom Einsturz bedroht 

Die Grabeskirche wurde 1927 durch ein starkes Erdbeben erschüttert. Dabei wurde unter anderem die Ädikula der Grabeskirche stark beschädigt, doch konnten sich die drei dafür verantwortlichen Konfessionen – die Orthodoxen, die Römisch-Katholiken und die Armenier – damals nur auf die notwendigsten Arbeiten einigen. Die palästinensische Mandatsregierung sah sich 1934/1935 gezwungen, die Ädikula mit Stahlpfeilern zu stützen, um sie so vor dem Einsturz zu bewahren. Hinzu kam die starke Russwirkung der Kerzen innerhalb und ausserhalb der Ädikula sowie auf das gesamte Gebäude. Ältere Fresken und Schriftzüge, welche die Ädikula schmückten, wurden dadurch stark beschädigt und vom Russ überdeckt. Erst 2016/2017 wurde durch die Einigung der drei Konfessionen eine Restaurierung möglich.

Prof. Antonia Moropoulou während ihres Vortrags an der Universität Bern.

Mit der Durchführung der Restau-rationsarbeiten wurde die renommierte Ingenieurin Antonia Moropoulou beauftragt. Zuvor hatte die Athener Wissenschaftlerin bereits Restaurationsarbeiten an der Hagia Sophia in Konstantinopel (Istanbul) sowie an anderen wichtigen Bauwerken aus der römisch-griechischen und byzantinischen Zeit unternommen.

Verantwortung für die kommenden Generationen

Prof. Moropoulou und ihr mehr als 50-köpfiges Team führten die Inspektion der Ädikula durch. «Die Arbeiten an der Ädikula waren nicht leicht», betonte Moropoulou in ihrem Vortrag, «da es sich hier schliesslich um den heiligsten Ort der Christenheit handelt. Unser Team war unter Dauerbeobachtung – wir mussten jeden unserer Schritte gegenüber den drei Konfessionen genauestens begründen.» Sie hatte die Möglichkeit, die Ädikula mit Infrarotkameras, Laserscannern und Radaren zu analysieren und fand heraus, dass sich zwischen der Aussen- und der Innenmauer der Ädikula das Felsgestein befindet, das einst die Grabeshöhle ausmachte.

Das Team arbeitete in der Regel auch während der Nacht, wenn die Pilgerstätte geschlossen war. Einmal wurde der Ort 60 Stunden lang am Stück gesperrt. Das waren die aufregendsten Stunden: «Wir mussten innerhalb von 60 Stunden die Marmorplatte öffnen und im Inneren des Grabes die nötigen Restaurations- und Befestigungsarbeiten durchführen. Das war nicht viel Zeit. Wir wussten nicht, was wir dort vorfinden würden»,
unterstrich Moropoulou. Zum ersten Mal seit dem Jahr 1555 wurde die Marmorplatte, die das Grab bedeckt, entfernt. «Wir hatten das Gefühl, dass uns die gesamte Welt zuschaut. Hunderte von TV-Kanälen und die höchsten Kirchenvertreter aus Jerusalem waren anwesend. Es war ein prickelndes Gefühl, als wir die Marmorplatte anhoben und ins Innere schauen konnten.»

V.l.n.r.: Prof. Angela Berlis, Prof. Antonia Moropoulou, Dr. Stefanos Athanasiou.

Nach der Restauration ist das Gebäude nun auch erdbebensicher. Wer es betritt, kann künftig auch das Höhlengestein sehen, das durch die Mauer der Ädikula bedeckt war – Prof. Moropoulou hat in der Innenfassade ein Glasfenster ein-bauen lassen. Ausserdem schmückt wieder ein Kreuz die Ädikula – es war in der osmanischen Zeit von den Türken entfernt worden. Wie war das für sie, am Grab Jesu zu arbeiten? «Wenn man vor dem Grab steht, begegnet man sich selbst und wird sich der grossen Verantwortung für die kommenden Generationen bewusst.»
Dr. Stefanos Athanasiou