Feuer und Luft
Wenn ich in der Kirche mit Jugendlichen – zum Beispiel in der Vorbereitung auf die Firmung – vom Heiligen Geist spreche, mache ich dies gerne in Form einer «stillen Wand»: Auf grosse Plakate schreibe ich die Worte «Luft» und «Feuer», und die Jugendlichen dürfen dazu ihre Assoziationen auf die Plakate schreiben. In Stille und mit einem einzigen Stift, so dass immer alle wahrnehmen, was genau geschrieben wird.
Rasch entdecken die Jugendlichen jeweils die Zweischneidigkeit der Begriffe: Das Feuer wärmt, aber es verzehrt auch; die Luft belebt und beschwingt, wühlt aber auch auf. Mit dem Heiligen Geist ist es genauso: Er schenkt Leben und Energie, aber er ist weder brav noch harmlos. Wenn ein Mensch be-geist-ert ist, dann ist er Feuer und Flamme. Und wenn jemand vom Geist erfüllt redet, dann ist diese Rede nicht zuckersüss, sondern machtvoll und herausfordernd.
Anders als Feuer und Luft hat der Geist einen Willen. Nach christlicher Überzeugung ist der Geist kein anonymes Fluidum, sondern ein Akteur. Der Wind weht, wo die Druckverhältnisse in der Atmosphäre Luftmassen in Bewegung setzen. Der Geist aber weht, wo er will.
Adrian Suter
Dieser Text ist erstmals als Kolumne in der Luzerner Zeitung vom 26. Mai 2023 erschienen.