Altmodisch – aber schön

Noch immer stecken wir in der Coronazeit und noch immer gehen die Meinungen darüber, wie man sich am besten verhält, auseinander. Auf welche Weise dürfen wir zusammenkommen? Nicht nur Restaurants, Saunabetriebe oder Fitnesszentren erleiden Einbussen, auch die Kirchen können lahmgelegt werden. Es gibt Dinge, bei denen es wichtig ist, dass man körperlich zusammenkommt, dass man – wenn es Not tut – mit der Faust auf den Tisch schlagen, laut miteinander reden, sich direkt in die Augen schauen kann.

Bei der diesjährigen Nationalsynode in Thun, wo sich manche Teilnehmende schon seit viele Jahren kennen, merkte man gleich zu Beginn: Es gelten neue Anstandsregeln. «Corona» hat das vorher so Selbstverständliche auf den Kopf gestellt. Da wird am Eingang nur hereingelassen, wer ein amtlich gültiges Zertifikat vorweisen kann – das Ehrenwort «Ich-bin-geimpft» ist null und nichtig. Oder wir tragen Masken, die uns zwar schützen, aber es wird unter ihnen nicht jeder leicht erkennbar und gut verständlich – wir müssen lernen, auf andere Merkmale zu achten. Gedämpfter und nuschelnder Sprachklang, sowie lässig um die Ohren gehauene Masken gehören zum Schick der Coronawelle. Und dann «ellbögeln» wir, womit der Redewendung, die für rücksichtsloses Verhalten stand, eine neue Bedeutung gegeben wird. Ellbögelnd begrüssen wir uns um einen Hauch herzlicher, als wenn wir uns bloss die Faust zeigen oder Faust auf Faust von einem zum anderen gehen. Auch ist Distanz nicht mehr das Signal der Abgrenzung und Ablehnung, sondern ist ein Zeichen der Sicherheit. An unserem Tagungsort, der Kirche St. Marien, hielten wir den sozialen Abstand aus medizinischen und nicht aus persönlichen Gründen.

Schlussendlich konnte jeder, der sich nicht ganz sauber fühlte, ein wirkungsvolles Desinfektionsmittel nehmen, um dem Virus schon im Anflug den Garaus zumachen – was klar als Medizin und nicht als zwischenmenschliche Aggression zu verstehen war. Fast versehentlich habe ich einem anderen zum Abschied die Hand gegeben. Nicht ohne Rührung hörte ich ihn sagen: «Altmodisch – aber schön!» In der Coronazeit sind neue herausfordernde Regeln für unser Miteinander entstanden. Die Gespräche über die Zukunft der christkatholischen Kirche haben ermutigende und lebendige Impulse erhalten. Wie die Faust und das Ellbögeln neu zu Symbolen des Friedens und der Freundschaft werden, möge es Erbe und Auftrag sein, die Zeichen der Zeit neu zu deuten!

Niklas Raggenbass