Ein kleines Stück Glück

Seit ich nicht mehr durch die Kirche zu meinem Bürokasten in der Sakristei gelangen kann, hat sich in meiner Wahrnehmung etwas verändert: das Predigergärtlein.
Das Sekretariat, das gleichzeitig auch die Sakristei ist, verfügt nur über ein kleines rundes Fenster, die zwei Oberlichter sind matt, sodass selbst bei Sonnenschein wenig Licht in den Raum dringt. Akustisch bin ich zumindest insofern mit der Kirche verbunden, als durch die abgeschlossene Türe der Berieb der Corona-Notfallstelle zu hören ist. Es läuft etwas.

Seither also gelange ich durch das Predigergärtlein zu meinem Arbeitsplatz. Das Gärtlein ist eingeklemmt zwischen Südmauer der Kirche, Seitentürmchen und alter Sakristei auf der einen Seite und der Betonrampe der Ausfahrt aus der Notfallstation des Universitätsspitals. Drei Meter breit, zwanzig Meter lang. Geschätzt.

Als ich kürzlich bei milden Temperaturen auf den Postboten wartete, der unseren Wochenbriefversand abholen sollte, sass ich auf dem Holzbänkchen in der Sonne. Links neben mir die Gräber von verstorbenen Gemeindemitgliedern, der Ort eingebettet in Bodenfloor, Grünpflanzen, Büsche und Rosen, hinter mir die stattliche alte Kirchenmauer und an mir vorbei der Kopfsteinpflasterweg. Die Vögel zwitscherten.

Da überkam mich ein Glücksgefühl, eine starke Verbundenheit mit diesem Ort und seinen Menschen; lebende und verstorbene.Hier, in diesem von Gegensätzen geprägten Zwischenraum, berühren sich Himmel und Erde. P wie Predigergärtlein – oder Paradies.

Franz Osswald