Lebensläufe

Mögen Sie Klassenzusammenkünfte? Diese Treffen mit den früher so vertrauten «Gschpänli» aus Primarschule und Gymnasium sind wie Spiegel oder Zeitraffer. Man hat noch die Gesichter von früher und vom letzten Treffen im Kopf und wundert sich, wie alle wieder grauer und breiter geworden sind.

Meine Klassen treffen sich alle fünf oder zehn Jahre. Ich finde es interessant, wie der Grundton, die Gesprächsthemen sich verändert haben. Mit 30 Jahren berichteten alle von Aufbrüchen und Erfolgen: Durchstarten im Beruf, tolle Beziehungen und Reisen; einige hatten schon ein eigenes Haus. Mit 40 Jahren hatten fast alle Wohneigentum, die meisten (natürlich hochintelligente) Kinder und viele steckten erfolgreich Kraft in ihre Karriere. Schwieriges wurde nur beiläufig erwähnt. Noch ging es wohl vor allem darum, sich selber gut darzustellen. Beim Klassentreffen zehn Jahre später hatte sich die Grundstimmung merklich geändert. Manche hatten tatsächlich ansehnliche Karrieren gemacht, redeten aber kaum noch über Berufliches. Wichtig waren Themen wie die Beziehung zu den gebrechlich werdenden Eltern und den mehr oder weniger flügge gewordenen Kindern. Die in jungen Jahren gültige Werteskala wurde von einigen offen relativiert. Über Schmerzhaftes und nicht ganz Gelungenes konnte gelassen gesprochen werden.

Ich bin schon gespannt auf die Zusammenkunft, wenn wir sechzigjährig werden…

Franziska Hälg-Steffen