Wir alle machen neue Erfahrungen, die mit dieser speziellen Zeit verbunden sind. Unser Alltag gestaltet sich anders, meist komplizierter und belasteter als vor der Corona-Krise. Neben allem Schwierigen und Beängstigenden gibt es auch intensive Alltagserlebnisse: Ich bin eine Leichtschläferin. Weil kaum noch Flugzeuge unterwegs sind, können wir bei offenem Fenster schlafen. Allerdings wache ich dafür um halb fünf Uhr auf, wenn mein Sohn sich für die Arbeit bereit macht. In seiner Abteilung wurde aus Sicherheitsgründen strikter Schichtbetrieb eingeführt.
Wenn es dann in der Wohnung wieder still wird, erwachen draussen die Vögel. Ich lausche und konzentriere mich darauf, wie mit zunehmender Morgendämmerung immer mehr Vogelarten einstimmen. Der Gartenrotschwanz gehört zu den ersten, wenn er eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang mit seinem Gesang anfängt. Amsel und Rotkehlchen sind eine halbe Stunde später dran. Buchfink und Spatz gehören zu den Langschläfern. Ein schönes, berührendes Erlebnis! Aber: Auf keinen Fall darf man der Krise leichtfertig einen positiven Sinn herbeireden. Schöne Erfahrungen sind hier erfreuliche Nebeneffekte einer negativen Erscheinung. Das Virus ist und bleibt eine Gefahr und eine Herausforderung für uns alle. Für die positive Gestaltung der Welt durch unsere persönlichen Entscheidungen und politische Massnahmen werden wir auch nach der Krise verantwortlich sein.
Franziska Hälg-Steffen