Nelke der Gelassenheit

Detail aus dem Gemälde «Junge Frau mit einer Nelke» (ca. 1485) von Hans Memling (Seligenstadt ca. 1433 – Brügge 1494). Metropolitan Museum of Art, New York.

Nur eine einzelne Nelke.
Fünf rote Blütenblätter.
Klein. In Stille gehalten.
Kein grosses Bouquet,
abseits vom grossen Auftritt,
fern jedem Haschen nach Wirkung.
Reduziert zur Fülle.
Ohne die Pracht der Rosen.
oder die Reinheit der Lilien.
Die kleine Nelke,
hat alle Hektik verloren.
Sie ist nur sie selbst,
zart gehalten von behutsamen Fingern.

Nicht die Ruhelosigkeit mittet, bringt das Sein.
Nicht eitle Eile, nicht atemverlierende Hast.
Rastloses Hetzen macht fremd,
geziertes Gehabe entzweit das Geeinte,
spaltet das Wesen des Menschen.
In Frieden bedacht auf das Eigene,
sei es einfach wie die Blüte der Nelke.
Spüren nach der Gefasstheit des Seins,
sich der verlässlichen Hand überlassen,
in Gleichmut, Vertrauen und Glück.
Nicht laut lärmen um Nichts.
Kein Heischen nach Beifall und Lob.
Einfach da sein, in der Gelassenheit der Nelke.

Michael Bangert