Verletzlich glauben und sein

Thomas von Villach (ca. 1440 – ca. 1523): Christus und Thomas (um 1475). Pfarrkirche St. Andreas, Thörl-Maglern (Kärnten)

Frisch ist die Wunde.
Stahl-scharfer Lanzenstich.
Tief. Mitten ins Herz.
Todbringend.
Schmerzende Wunde.
Brennendes Weh.

Thomas will Berührt-Sein, nicht Sehen.
Die Wunde des Freundes spüren.
Christus soll ihm wirklich sein.
Mit allem. Mit Leid.
Des Anderen Wirklichkeit spüren.
Im Schmerz.

Thomas will glauben.
Lebendig. Direkt.
Voll Wagnis.
Fader Glaube, ohne Zweifel,
geistfrei verflacht,
bedeutet ihm nichts.

Christus lässt
die zart-schmerzliche Berührung zu.
Er zuckt nicht zurück.
Er führt ihm Hand und Herz.
Liebe scheut Wundschmerz nicht.
Freundschaft verbirgt nicht Narbe noch Riss.

Auferstehen können
allein die Verletzlichen.
Die unverwundbaren Helden hält
ihre schwere Rüstung im Grab.
Lieben können
nur die Verletzlichen.

Nur sie fühlen und kennen und ertragen
den Schmerz, – unfassbar wirklich
und wertvoll und stark.

Michael Bangert