Verzicht auf Blattgold

Abdeckung des Taufbrunnens in der Stiftskirche St. Michael, Beromünster.
Bild: Rudolf Messerli, Oberwil

Fast hätte ich ihn nicht erkannt:
Den Mann, der den Rand der Wüste liebt.
Der Asket mit Heuschreckenfutter.
Abseits und widerständig.
Bis zur Lebensgefahr ehrlich.
Johannes, der ruppige Prediger.
Der Rufer im Niemandsland.
Ein Stein des Anstosses.
Doch was ist ihm hier passiert?
Die Chorherren von Beromünster
zeigen ihn. Ebenso wie Jesus, den Täufling,
halbnackt und harmlos.
Überall Blattgold. Überall Pracht.
Überall theatralische Gesten.
Das struppige Fell vom Edelmetall verdeckt.
Grosse Geste!
Doch wo ist die Regung des Herzens?
Die Kraft der Umkehr?
Johannes, der Sohn aus bestem Hause,
dessen Geburt Wunderzeichen begleiten.
Johannes, der Propheten Grösster.
Schrumpft zur frommen Eskorte.
Verlust der inneren Kraft.
Den Himmel, den offenstehenden,
verdeckt nun schweres Silber.
Der Mann von sperriger Geistkraft
taugt gerad noch zum Zierrat.
Am Deckel des Taufsteins.
Johannes, der selbst von sich absah,
wird hier zum wohlfeilen Blickfang.
Was ist das für eine Taufe,
die hier geschenkt wird?
Der Anfang der Umkehr?
Oder ihr Ende?
Johannes weiss von dem Grossen,
dem heilig Heilenden,
dem unbegrenzt Seienden.
Wer das Eigene liebend erkennt,
der kann es lassen.
Der Andere soll wachsen.
Dazu braucht es den Schein nicht.
Kein prangendes Blattgold.
Es braucht nur ein hörendes Herz,
wie das des Johannes.

Pfr. Dr. Michael Bangert