Irdisches im Himmel

Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische! Denn ihr seid gestorben und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott. (Kol 3,2-3)

Der christliche Glaube ist immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, weltfremd und weltfeindlich zu sein, an den irdischen Realitäten vorbeizusehen und die Schönheiten des irdischen Lebens gering zu achten. Auch der Verfasser des Kolosserbriefes fordert uns dazu auf, den Blick auf das Himmlische statt auf das Irdische zu richten. Doch was genau ist denn dieses Himmlische? Steckt in dieser Aufforderung nicht nur wieder eine Vertröstung auf ein Jenseits nach dem irdischen Jammertal?

Von der Himmelfahrt Jesu her betrachtet verliert aber der Gegensatz von Himmel und Erde vielleicht etwas von seiner Schroffheit. In der Menschwerdung Jesu ist der Himmel zur Erde gekommen. Jesus ist in die tiefsten Abgründe irdischen Lebens hinabgestiegen, in Leiden und Tod. Die Erfahrungen der Erde, die Erfahrungen eines Menschen, sie haben Jesus geprägt. Er nimmt sie, so wie auch seine Wundmale, bei seiner Himmelfahrt mit in das Reich Gottes, in den Himmel. In ihm ist aber auch unser irdisches Leben aufgehoben und geborgen im Himmel. Unser irdisches Leben mit allen Wunden und Verletzungen. Aber ebenso sind auch alle Momente gelungenen Lebens und gelungener Beziehungen, alle Momente der Freude an den Schönheiten irdischen und menschlichen Lebens geborgen in Christus. Durch die Himmelfahrt Jesu leben wir alle bereits jetzt, wenn auch noch verborgen, in der liebevollen, himmlischen Gegenwart Gottes.

Thomas Zellmeyer