Zum Licht

Die Leute nahmen Palmen­zweige, zogen hinaus, ihn zu em­­pfangen und riefen: ­Hosianna! Gesegnet, der kommt im Namen des Herrn. Joh. 12,13f

Eine Zeitenwende bahnt sich an. Jesus zieht in Jerusalem ein, begeistert empfangen von der Menge. Jetzt kommt das Himmelreich, alle Mühsal ist vorbei. Und er soll es richten. Die Menschen sind ausser sich vor hoffnungsvoller Freude. Zum Ärger der Pharisäer. Aber wer kümmert sich jetzt schon um die?

Jetzt vielleicht. Aber sie kommen wieder. Ein paar Tage vergehen, und sie schreien: Kreuziget ihn! Und das Volk, eben noch euphorisch, jetzt aber enttäuscht, denn das Himmelreich blieb aus, schreit mit. Das Unfassbare geschieht, der eben noch Umjubelte stirbt am Kreuz.

Eine alte Geschichte. Alte Geschichten nützen sich oft ab. Warum diese nicht? Weil sie nicht einfach Geschichte ist. Sondern weil sie unsere Geschichte sein könnte. Das Leben ist nicht leicht. In Jerusalem sitzen die Römer, im Tempel eben die Pharisäer und die hohen Priester. Beide schauen dem Volk auf die Finger. So ist es zwar bei uns gerade nicht, aber auch wir kennen Zwänge, Unfreiheiten, die uns gelegentlich drücken. Und plötzlich soll da einer kommen, der alles gut macht? Man würde es gerne glauben, aber die Erfahrung zeigt: Das Himmelreich ist nicht umsonst zu haben. Jedenfalls nicht nur.

Widerwärtiges muss erduldet werden. Wobei verstehende Begleitung wohl unersetzlich ist. Aber am Ende einer vielleicht langen Woche, weicht etwas von der Dunkelheit. Nach der Bitternis des Freitags, am Samstag, beginnt Licht einzubrechen. Wie lange ist der Samstag? Wer kann es wissen? Aber er verstärkt die Hoffnung auf den Sonntag. Auf das Osterlicht. Licht für immer? Oder vielleicht einfach für heute und morgen, und dann später wieder? Gut jedenfalls, an der Hoffnung dranzubleiben.

Niklaus Reinhart