Bei Gott ist nichts unmöglich

«hortus conclusus»: Wandteppich im Benediktiner-
kloster Sarnen.

Ist die Erzählung der jungfräulichen Geburt Marias glaubwürdig?

Im Benediktinerkloster Sarnen hängt ein wunderschöner Wandteppich aus Wolle, Seide, Gold- und Silberfäden. Dieser sogenannte Wirkteppich ist Heidnischwerk, eine Art Handarbeit, die von Frauen ausgeübt wurde, beginnend im Mittelalter. Der Sarner Wandteppich ist von Verena Zoller gestickt (gest. 1558). Das Bildmotiv des 1554 angefertigten Teppichs ist der wohlbekannte hortus conclusus, was auf Deutsch verschlossener Garten heisst. Der Teppich präsentiert uns die Verkündigung durch den Engel Gabriel, dass die Jungfrau Maria den Sohn Gottes vom Heiligen Geist empfangen habe und ihn gebären werde. Die Jungfrau Maria scheint darin ruhig und zufrieden, eingebettet in Mythologien und biblische Geschichten.

In unserem durch wissenschaftlichen Fortschritt und die Aufklärung geprägten Zeitalter, in dem Kinderwünsche oft unerfüllt bleiben, andererseits unerwünschte Kinder abgetrieben werden, ist eine jungfräuliche Geburt im ersten Jahrhundert eine Glaubenssache. In einem der wenigen neutestamentlichen Texte, in dem eine Frau spricht und singt (das Magnifikat, Lukas 1,46-55), schreibt der Evangelist und Arzt Lukas über die Geburt der Jungfrau. Nachdem ihr ein himmlisches Geschöpf erschien und ankündigte, sie sei vom Heiligen Geist geschwängert, wundert sich Maria sehr, wie so etwas geschehen könne: «Wie kann das sein, da ich von keinem Mann weiß?» Der Engel Gabriel antwortete ihr: «Bei Gott ist kein Ding unmöglich.» Darauf erwiderte Maria: «Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort!» (Lukas 1, 34-38). 

Biblisch theologisch geht es hier um Glauben. Wir sehen im vorhergehenden Text, der Erzählung von Elizabeth und Zacharias, dass Zacharias bis zur Geburt seines Sohnes Johannes des Täufers sprachlos blieb, weil er nicht glaubte, dass es wegen des fortgeschrittenen Alters der beiden möglich sei, Elizabeth zu schwängern (Lukas 1,20-22). Historisch gesehen ist die jungfräuliche Geburt Jesus entscheidend. Im ersten ökumenischen Konzil von Nicäa (325) war sie von zentraler Bedeutung im arianischen Streit über die Göttlichkeit Christi, im Edikt von Mailand (431) bekam Maria den Titel mater dei und theotokos, in Chalcedon (451) wurde Marias jungfräuliche Geburt zum Beweis für die Doktrin der Zwei Naturen Jesus, nach der Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Die jungfräuliche Geburt ist somit eigentlich das Fundament unseres Glaubens an die Inkarnation Christi, vielleicht sogar das Fundament des Faktums der Inkarnation. Wir brauchen die Erzählungen der Kindheit Jesus, damit unsere Sicht der übernatürlichen Person Jesus komplett wird. Sie binden Christus in der Geschichte ein. 

Genauso wie die Bibel und Geschichte in der Diskussion von Verena Zollers Wirkteppich zusammenkommen, so sind die jungfräuliche Geburt Marias mit der göttlichen und menschlichen Natur von Jesus Christus verwoben. Es bleibt anzumerken, dass Maria und Elizabeth, zwei Frauen, die göttliche Adventserzählung anführen. Sie wird um des Glaubens Willens erzählt, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.

Dr. Rebecca Giselbrecht

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