Der Segen des Allmächtigen

Mosaik in der Kirche von Daphni. Szene: Christus Pantokrator. (Bild: commons.wikimeidia.org)

Wir sprechen mit verschiedenen Eigenschaftswörtern von Gott – aber beim Segen am Ende des Gottesdienstes ist er immer der «Allmächtige». Auch bei der Sündenvergebung in den Bussfeiern wird er so betitelt. Warum das? Im Glaubensbekenntnis finde ich «allmächtig» passend, aber beim Segen?

Es gibt Geistliche in unserer Kirche, die das Segenswort umformulieren – aus genau diesem Grund. Auch ich selbst habe mir schon die Freiheit genommen, das Eigenschaftswort «allmächtig» durch ein anderes zu ersetzen oder (häufiger) zu ergänzen: «Es segne euch der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.»

Allmacht gehört zu den schwierigsten, aber zugleich besonders kennzeichnenden Eigenschaften Gottes. Schwierig, weil allerlei Fragen damit verbunden sind, die einem das Denken verknoten können – «kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn selbst nicht mehr hochheben kann?» ist nur eine davon. Aber es ist auch eine Eigenschaft, die Gott ganz besonders kennzeichnet: Wären wir bereit, Gott noch als Gott anzusehen, wenn er weniger mächtig wäre? Wenn er eine noch höhere Macht über sich hätte? Ein nur halb-mächtiger Gott wäre irgendwie gar nicht richtig Gott.

Aber auch ein Despot, ein allmächtiger Tyrann, wäre gar nicht richtig Gott. Nein, Gott ist nicht weniger, sondern mehr als allmächtig. Und das heisst: Er ist derjenige, der sich nicht an seiner Macht festkrallt, sondern seinem Gegenüber die Freiheit gewährt. Ja, er heisst diese Freiheit sogar gut, will uns Menschen darin unterstützen, den richtigen Gebrauch von unserer Freiheit zu machen. – Und genau dies bedeutet «Segen»: Der Segen ist das «gut Zugesagte» (bene-dictio), das dem Menchen in seiner selbst verantworteten Lebensführung von Gott zugesprochen wird.

Wenn wir in der Kirche den Segen des allmächtigen Gottes erbitten und in seinem Namen Sünden vergeben, dann bringen wir damit zum Ausdruck, dass seine Allmacht mehr ist als unendlich potenzierte menschliche Macht, mehr als despotisch Macht, die neben sich nichts anderes duldet: Gottes Allmacht ist die Macht, die Freiheit schenkt, Gutes zuspricht, Sünden vergibt.

Adrian Suter

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