Nestgeruch oder Neuland?

Drei römisch-katholische Pastoralassistierende in Tunika mit dreieckigem Lektorenkragen in liturgischer Farbe.

Frage: Weshalb werden nicht mehr Menschen christkatholisch?

Diese Frage wird mir regelmässig gestellt, vor allem dann, wenn Menschen in einem Vortrag gerade mehr über die Christkatholische Kirche, ihre Geschichte und ihre Haltung in theologischen Fragen und Lebensfragen erfahren haben. 

Im Folgenden äussere ich vier Vermutungen – und freue mich über Ergänzungen.

Erstens: Was wir nicht einordnen können, nehmen wir nicht wahr. Eine Frau erzählte mir einmal, sie sei 10 Jahre jeden Tag an einer christkatholischen Kirche vorbeigegangen, ohne sich je Gedanken zu machen, was dies für eine Kirche sei. Erst als sie in einem anderen Zusammenhang mit einem Christkatholiken ins Gespräch kam, fiel ihr auf, dass eine solche Kirche in ihrer eigenen Stras­se lag…

Zweitens: Zugehörigkeit zu einer Kirche bedeutet in der Regel auch Verbundenheit. Auch wenn Menschen nie in den Gottesdienst kommen und sich nicht am Gemeindeleben beteiligen, fühlen sie sich doch oft ihrer Kirchgemeinde oder Kirche verbunden. Den «Nestgeruch», die soziale Bindung an die Gruppe, in die sie «hineingeboren» bzw. – getauft wurden, die spirituelle Heimat geben Menschen nicht ohne Weiteres auf – selbst dann nicht, wenn sie sich über Vieles ärgern. Dies gilt für unsere christkatholische Kirche (glücklicherweise) ebenso wie für andere Kirchen. Austreten heisst zudem nicht immer anderswo eintreten.

Drittens: Wer aus einer Grosskirche kommt, wird nicht immer leicht in einer kleinen Kirche heimisch. Weitere Wege zum Gottesdienst, kompliziertere Regelungen für den Religionsunterricht der Kinder und anderes mehr können eine Rolle spielen. Für Manche ist die Überschaubarkeit christkatholischer Gemeinden oder die mögliche Nähe zur Pfarrperson attraktiv, aber nicht alle empfinden das so.

Viertens: Dass Pfarrpersonen heiraten können, dass es Frauen im Amt gibt, dass Laien auf allen kirchlichen Ebenen Verantwortung tragen, finden viele zwar gut, aber das ist nicht unbedingt ein Grund zum Handeln. Manche römische Katholikinnen und Katholiken meinen zudem, dass sie das ja auch schon haben, weil ihnen der Unterschied zwischen einem Wort- und Kommuniongottesdienst und einer Eucharistiefeier gar nicht auffällt.

Prof. Dr. Angela Berlis

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