Theologie verstehen wollen

Frage: Warum ist Theologie so kompliziert?

Alles muss heute «heruntergebrochen» werden. Christus hat nichts heruntergebrochen. Aufgebrochen hat er alles. Die einfachsten Fragen. Christus war unfähig, eine einfache Frage einfach zu beantworten.

«Welches ist das höchste Gebot?», fragt ihn einer. Diese Frage nimmt Jesus auseinander. Er bricht sie auf. Er spaltet sie, wie Physiker einen Atomkern spalten. UND UNGEHEURE ENERGIE WIRD FREI!

«Du sollst Deinen Nächsten lieben!» («Nein! Jesus! Lieben ist doch ein Gefühl! Wie kannst Du das gebieten?») Jesus: «Ich gebiete: Du sollst lieben! Es ist Dir aufgetragen, Deinem Kollegen, dem Autofahrer vor Dir an der Ampel und der Frau am Kiosk mit derselben Zuvorkommenheit zu begegnen, wie Du Dir selbst begegnest. Oder Deiner Frau. Oder Deiner Tochter.» «Und Deine E-Mails, die sollst Du mit derselben sprachlichen Sorgfalt verfassen, wie Du einen Liebesbrief komponierst.»

Lieben geht nicht einfach so. Darüber muss man nachdenken. Das hat mit Theologie zu tun. Und umgekehrt: Theologie muss unser Verhalten ändern. «Du sollst Deinem Angestellten nicht mehr zumuten, als Du Dir selbst zumutest; dem Stellenbewerber nicht mehr abverlangen, als Du selbst leisten kannst.» Und: Du sollst Gott lieben. Nicht «zur Kenntnis nehmen». Lieben sollst Du ihn. Lieben, mit allem, was Du bist und was Du hast.

Wie kann ich aber lieben, was ich nicht kenne? Genügt es, meine Frau «zur Kenntnis zu nehmen»? Will sie vielleicht auch verstanden werden? Die Bibel – das sind immerhin 1000 Seiten. Die intellektuelle Tradition der Kirche – das sind 2000 Jahre. Kann ich die einfach so zur Seite schieben?

Als Priester habe ich – in der zutiefst demütigen Nachfolge Jesu – mehr Fragen aufzubrechen als sie einfach zu beantworten. Da kann ich nichts herunterbrechen. Da muss ich Atome spalten, muss den Brennwert der Texte auf die Probe stellen. Muss wie ein Physiker agieren.

Das ist die Rede von Gott. Das ist Theologie. Liebe ist Theologie. Liebe ist Verstehenwollen. Liebe will das Geheimnis immer wieder neu entdecken.

Mathias Kissel

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