Eindrücke von der ausserordentlichen Synode zum Thema «Ehe für alle» in Zürich
Die Sondersession der Nationalsynode war etwas speziell – nicht nur, was das Thema angeht. Auch das Format der Synode war ungewohnt. Sie wurde als offene Synode geführt. Alle Teilnehmenden waren dazu eingeladen, sich aktiv an der Konsensfindung zu beteiligen und diese am Ende auch in Form einer Abstimmung zu beschliessen.

Weniger offen allerdings war die Art und Weise, in welcher der Austausch stattzufinden hatte. Dank unserem all-präsenten viralen Begleiter in 2020 mussten sich alle Anwesenden mit Mundschutz bekleiden, Abstand halten, sich die Hände desinfizieren und ihr Mittagessen aus einem wohl-präparierten Lunchpaket geniessen. Aber eigentlich sind wir all diese kleinen Widerlichkeiten ja längst gewohnt. Eine Sache, welche uns Menschen aus biologischer Sicht auszeichnet, ist unsere Anpassungsfähigkeit. Zur Möglichkeit der Anpassung gehört indes auch der Wille dazu. Und diesen Willen haben die ChristkatholikInnen an dieser Sondersession einmal mehr unter Beweis gestellt. Nicht nur den geänderten Umständen der Veranstaltung haben sie sich angepasst, auch den sich stetig ändernden und weiter entwickelnden gesellschaftlichen Bedürfnissen möchten sie sich in gewisser Weise anpassen. Dafür haben sie sich in der Konsultativabstimmung ausgesprochen.
Sie haben es sich nicht leicht gemacht
Doch so klar das Ergebnis auch ausgefallen ist, leicht gemacht haben sie es sich nicht. Schon zu Beginn des Tages waren wir als Teilnehmende gefordert, denn die Sitzordnung in der Augustiner-Kirche richtete sich nach den Anforderungen der Schutzmassnahmen und garantierte viel Sitzabstand. Gut für die Hygiene, nicht so gut für die Kommunikation. Eine eindrucksvolle Morgenandacht, musikalisch untermalt durch drei Stücke wunderschön anmutenden Solo-Gesangs von Andy Meier, stimmte auf die Synode ein. Der Hall der Kirche trägt die Worte «Like a bridge over troubled water» in jede Ecke. In der folgenden thematischen Einleitung erläuterte Hannes Felchlin die Rahmenbedingungen dieser Brücke, welche es zu bauen galt. Und gleich wurde damit begonnen. Die «Synodalen» entschieden sich, diese Session als «offen» zu halten, also zugänglich der Mitwirkung nicht nur der Gemeindeabgeordneten und Geistlichen, sondern derer aller. Ein Blick nach links und rechts bestätigte mir, dass wir nun, zumindest im Geiste der Synode, verbunden waren. Wir durften uns nun alle gemeinsam in die durchaus nicht immer ganz durchsichtigen Feinheiten der Umsetzungsmodelle einer «Ehe für alle» vertiefen.

Frage-Antwort-Spiel
Um dies zu ermöglichen, fand am Vormittag die Phase der Experten-Interviews statt. Vor dem Altarraum nahmen sechs RepräsentantInnen platz, drei zur Linken, drei zu Rechten. Das «Forschungsteam» zur Rechten konnte nun rund eine Stunde lang Fragen stellen, welche das «Expertenteam» zur Linken, in möglichst erhellender Weise für alle Anwesenden, zu beantworten suchte. Die Forscher sahen sich hierbei als «Anwälte» aller Teilnehmenden im Plenum. Diese wiederum machten regen Gebrauch von der Möglichkeit, eigene offene Fragen auf Kärtchen zu formulieren und diese mit Hilfe der zahlreichen freiwilligen Helfer nach vorne reichen zu lassen. Das Forscherteam bemühte sich unter heftigem Stirnrunzeln, die Flut von Fragen so zu bündeln und formulieren, dass ein reges Frage-Antwort-Spiel entstand.
Die meisten Fragen klangen recht einfach, die Antworten eher nicht. Dabei gab sich das Expertenteam redlich Mühe. «Ich liebe solche Fragen», antwortete Prof. Peter-Ben Smit beispielsweise, bevor er in wohl differenzierter Art und Weise versuchte zu erläutern, warum eine klare Antwort an und für sich eher unwahrscheinlich scheint, zumindest möglicherweise. Unklarheiten lagen mitunter da vor, wo eine Definition nicht hinreichend bekannt war. Was ist eigentlich ein Sakrament? Warum gibt es deren sieben? Und ist eine Segnung auch ein Sakrament? Diese Fragen im Vorfeld zu erläutern sollte sich als überaus wichtig herausstellen, bildeten sie doch die Basis für die folgenden ausführlichen Diskussionen in den Nachmittags-Workshops. Die Nicht-Theologen unter den Teilnehmenden waren also gut beraten, ihre vom stundenlangen Tragen einer Maske geforderten Ohren zu spitzen.
Auf das Mittagessen folgten die Workshops. Und der Begriff «Work» liess es erahnen – insbesondere für die zum aktiven Mitschreiben erkorene Pfarrerin in meiner Gruppe bedeutete es eine ordentliche Menge Arbeit. Jedes der vier zur Debatte stehenden Umsetzungsmodelle der «Ehe für alle» wurde nun unter Begleitung einer von Workshop zu Workshop weiterziehenden Moderationsperson ausführlich erörtert. Dabei ging die Diskussion zuweilen ordentlich in die Tiefe. So hörte man auch die PriesterInnen schon mal sagen «so, wie ich dies in der Bibelauslegung gelernt habe…», was verdeutlichte, dass sich die Auslegungen einer gewissen Bibelstelle doch deutlich voneinander unterscheiden können.
Wo liegt der Unterschied?
Die Feinheiten beschränkten sich indes nicht auf die Bibelauslegung. Schliesslich ging es um die kirchliche Heirat, welche, je nach Art der Betrachtung, an und für sich gar keine ist. Vielmehr könnte man die Segnung der obligat bereits zivilstandlich erfolgten Heirat als den Kern einer kirchlichen Eheschliessung sehen. Wo aber, so fragten sich viele, lag dann bitte der Unterschied zwischen der einen Segnung, und der anderen, je nach geschlechtlicher Kombination der Eheleute? Lag der Unterschied womöglich nur im verwendeten liturgischen Formular?

Nun, ich musste mir eingestehen, dass ich noch nie ein solches gesehen, geschweige denn ausgefüllt hatte. Und nach einiger Zeit wurde mir auch langsam klar weshalb. Man konnte so ein Formular wohl gar nicht ausfüllen. Der Begriff bezeichnet wohl vielmehr den festgelegten Inhalt für einen liturgischen Ablauf. Ein solches Formular kann man also wohl ausführen, Felder zum Ankreuzen gibt es indes keine. «Aha»… Und wo und weshalb genau war nun hier der Unterschied für gleichgeschlechtliche Paare zu finden? Das lange Zuhören und die ständige maskenbedingte Rückatmung der eigenen Atemluft trug nicht gerade zur Erhellung bei.
Die eheliche Konstellation zweier Geschlechter war ja auch nur dann möglich, wenn es zwei solche auch klar zu bestimmen gab. Und wie läge der Fall, wenn sich ein solches nach Eheschliessung ändern würde, biologisch, oder auch, was das «Gender»-Konzept betrifft, also gesellschaftlich? Man fand ihn offenbar irgendwie nicht, den Unterschied. Und so festigte sich denn wohl auch die Schlussfolgerung der Workshop-Phase. Denn noch war das Tagwerk nicht getan. Den Abschluss bildete die Konsultativabstimmung über die vier debattierten Modelle. Mit einem Resultat, das überdeutlich aufzeigt, in welche Richtung sich die ChristkatholikInnen an der Synode die Entwicklung ihrer Kirche wünschen. Denn so unterschiedlich an dieser Sondersession Ansichten und Absichten auch zu Tage getreten sind, so ganz gleich mögen verschieden- oder gleichgeschlechtliche Paare empfinden – in Form ihrer gegenseitigen Liebe.
Daniel Pfenning