Kleine biblische Zoologie: Folge XIII

Taube: die Friedensbringerin

Seit alttestamentlichen Zeiten dürfte die Taube in folgenden vier Arten in Palästina vertreten sein: Felsentaube (Columba livia), Hohltaube (Columba oenas), Ringeltaube (Columba palumbus), Turteltaube (Streptopelia turtur). In der Bibel werden die Felsentaube Jona), die auch als Männername, etwa beim Propheten Jona, bekannt ist, und die Turteltaube hebräisch «Tor» genannt. Die Taube gilt als Lieblingsvogel Gottes. Wenn es in Genesis 1,1 heisst: «und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser», dann bedeutet das hebräische Wort «rachäpät» eigentlich «im Rüttelflug, im Schwebeflug, hin und her schweben». Im babylonischen Talmug heisst es deshalb: «…schwebt Gott gleich einer Taube über dem Wasser.» Jesaja (59,11) verwendet die Taube als Sinnbild der Klage, des Verzweifelns: «… und klagen wie Tauben. Wir hoffen auf unser Recht, doch es kommt nicht, und auf unsere Rettung, doch sie bleibt uns fern.»

Noah sandte eine Taube aus der Arche, um festzustellen, ob die Sintflut vorüber sei (Gen 8,8.9). Die Rückkehr der Taube mit einem Ölzweig im Mund (Gen 8,11) wird als Friedensschluss Gottes mit den Menschen gedeutet; die Taube wird zum «Friedensbringer», zum «Glücksbringer». Im Hohelied Salomos (1,15) wird die Schönheit der Augen der Freundin mit der Taube verglichen. Nicht zu vergessen ist die Taube als Opfertier der Armen, wie die entsprechende Anweisung im 3. Buch Mose belegt: «Vermag er aber nicht ein Schaf zu geben, so bringe er dem HERRN für seine Schuld, die er getan hat, zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben, die eine zum Sündopfer, die andere zum Brandopfer» (Lev 5,5-7). Als die «Tage der Reinigung» vorüber waren, vierzig Tage nach der Geburt Jesu also, brachte Maria dieses Opfer dar (Lev 12,6-8; Lk 2,24). Am wichtigsten und in allen vier Evangelien bezeugt ist die Taube aber als Sinnbild für den Heiligen Geist (Mt 3,16; Mk 1,10; Lk 3,22; Jo 1,32). Wenn man bedenkt, dass die Taube wie das hebräische Wort für Geist (Hauch Atem, Wind) «ruach» weiblich ist, ist die bis in solche Details hineingehende Komposition biblischer Symbolik doch sehr beeindruckend.

Jürg Meier