Feier der Osternacht: vom Dunkel ins Licht!

Mit dem Licht des gesegneten Osterfeuers wird die Osterkerze entzündet.

Die Osternacht bildet die Mitte und den Höhepunkt des christlichen Kirchenjahres. Im Gottesdienst der Osternacht wird der Kern des christlichen Glaubens angesprochen – die Auferstehung Jesu Christi, die Hoffnung auf den Sieg des Lebens über den Tod. Ein liturgisch vielfältiger Gottesdienst macht den Durchgang vom Dunkel ins Licht für die Mitfeiernden erfahrbar.

Der Gottesdienst beginnt für einmal vor den Kirchentoren. Die Gemeinde versammelt sich um das Osterfeuer, Zeichen des unbesiegbaren Lichtes, das uns in Jesus Christus aufgeschienen ist. Dass Christus dieses Licht der Welt ist, findet seinen Ausdruck in der Osterkerze, die am Osterfeuer entzündet und in die dunkle Kirche hineingetragen wird. Dreimal erklingt dabei der  Gesang «Christus ist das Licht der Welt». 

Das Exsultet – ein Loblied auf das Osterlicht

Die brennende Osterkerze steht auch im Zentrum des nun folgenden Gesanges, der nach seinen Eingangsworten («frohlocket») Exsultet genannt wird. In diesem Gesang wird die ganze Botschaft dieser heiligen Nacht in wunderbar poetischer Sprache zusammengefasst und entfaltet. Himmel («Frohlocket nun, ihr Engel im Himmel»), Erde («Nun freue dich, o Erde, vom himmlischen Glanze umstrahlet») und die versammelte Gemeinde («Auch du freue dich nun, heilige Kirche») werden zum Lobpreis des österlichen Sieges Jesu Christi aufgefordert. Ostern – das wird im Exsultet deutlich – hat eine kosmische Dimension, die ganze Schöpfung wird vom Sieg des Lebens über den Tod berührt und verwandelt. Eindrücklich wird im Exsultet geschildert, was in dieser Nacht gefeiert wird. Es wird an die Schlachtung des Opferlammes erinnert, dessen Blut die Häuser des Gottesvolkes schützt. Es wird daran erinnert, dass dies auch die Nacht ist, in der Israel von Gott aus Ägypten herausgeführt und durch das Meer geleitet wird. In dieser Erinnerung an die grosse Befreiungserfahrung des Gottesvolkes wird das Osterereignis mit der Passah-Erfahrung verschränkt. Die für die Judentum identitätsstiftende Erfahrung eines befreienden Gottes findet seinen Widerhall in der Erlösungserfahrung der Christen. Die Aufzählung der Heilstaten Gottes, die in dieser Nacht gefeiert werden, findet im Exsultet-Gesang seinen Höhepunkt in der Botschaft der Auferstehung Christi: «Dies nun ist die Nacht, in der Christus die Bande des Todes zerbrochen hat und aus der Tiefe emporstieg als Sieger». Die Gegenwartsform («Dies ist die Nacht») ist dabei ganz ernst zu nehmen. Die versammelte Gemeinde erinnert sich nicht an ein Ereignis der Vergangenheit, sondern «vergegenwärtigt» sich feiernd einer existentiellen Erfahrung, in die sie sich hineingenommen weiss. 

Ostern als christliche Passahfeier – die Vigilfeier

Wohl nirgends deutlicher als in der Vigilfeier zeigt sich der Ursprung der Osternachtsfeier in der Passahfeier des jüdischen Gottesvolkes. Die ersten Christen haben die Erfahrung der Auferstehung Jesu vor dem Hintergrund der Befreiungserfahrung des Gottesvolkes gesehen. In den alttestamentlichen Lesungen wird deutlich, dass Gott seit Anbeginn der Welt das Heil und das Leben der Menschen im Sinn hat, sich schützend und befreiend offenbart. Diese Offenbarung des lebensbejahenden und lebensermöglichenden Gottes zeigt sich in den Texten in kosmischer Dimension (Schöpfungsbericht), geschichtlich (Befreiung des Gottesvolkes aus Ägypten) und in der prophetischen Erwartung des endzeitlichen Heils (Vision des Ezechiel).

Neugeboren aus dem Wasser – die Tauffeier

An der Auferstehung Jesu Christi haben wir als Getaufte Anteil. In seinem Brief an die Römer weist Paulus auf diesen Zusammenhang von Auferstehung und Taufe hin: «Alle, die wir in Jesus Christus hineingetauft wurden, sind in seinen Tod hineingetauft. Wir sind also mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt worden ist, sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln.» (Röm 6,3-4). Dieser Zusammenhang von Auferstehung und Taufe findet in der Segnung des Taufwassers seinen Ausdruck. Als Getaufte stehen wir im Licht der Auferstehung. So wird nach der Segnung des Taufwassers das Licht der Osterkerze an alle Menschen in der Kirche ausgeteilt.

Christus ist auferstanden – er ist wahrhaft auferstanden

Im Wortgottesdienst wird das österliche Wunder der Auferstehung Christi verkündet – mit dem dreimal wiederholten Hallelujahruf, der Ostersequenz, in der die Ostergeschichte in gesungener und dialogischer Form nachgezeichnet wird, und schliesslich im feierlich verkündeten Evangelium. In vielfacher Wiederholung wird so das fast unfassbare Wunder dieser Nacht gepriesen: Gott auferweckt den gekreuzigten Jesus in ein neues Leben jenseits des Leidens und des Todes. 

Das Osterlicht strahlt in den Alltag

Den feierlichen Abschluss des Osternachtsgottesdienstes nach der Eucharistiefeier bildet das kraftvolle Danklied – zumeist «Christ ist erstanden». 

Aber die Freude der Osternacht soll hier nicht enden, sondern hinausstrahlen in das Leben hier und jetzt, in den Alltag, in die Gemeinschaft. So ist es ein schöner Brauch, dass Ostereier gesegnet werden und sich an die Feier der Osternacht ein fröhlicher Imbiss anschliesst. 

Die Liturgie der Osternacht mag vielleicht in vielem nicht leicht verständlich erscheinen. Wer sich aber vom Geschehen dieses Gottesdienstes mitreissen lässt, kann feiernd etwas von der existentiellen Wahrheit dieser Nacht erfahren, die sich in Worten kaum ausdrücken lässt: «Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden.»  

Pfarrer Thomas Zellmeyer