Gesang – ein «Werkzeug» des Friedens

Am Wochenende vom 5./6. Mai trafen sich die Kirchenchöre der Christkatholischen Kirche der Schweiz zu den XXX. Chortagen. Das Konzert von Samstag in der Augustinerkirche Zürich wartete mit zwei Uraufführungen des Komponisten Eugen Meier auf, die in ihrer treffenden Komposition und Ausführung beeindruckten. Das lebendige Chorwesen macht in einer kleinen Kirche Mut für die Zukunft.

Das Konzert beginnt mit festlichen Klängen: «Chandos  Jubilate» von Georg Friedrich Händel aus dem 100. Psalm. Die Violinen klingen barock hell, der Tenor Benjamin Berweger ebenso. Die Akustik der Augustinerkirche ist wunderbar, jedes Wort der Chorgruppe Nord, unter der Leitung von Beatrice Voelmy, dringt verständlich ans Ohr – das zeugt von einer ausgezeichneten Chorarbeit.

Der Bass Richard Helm verfügt über eine eindringliche Stimme, voll und sicher singt er seinen Part. Ebenso die Mezzosopranistin Seraina Perrenoud, wobei Tenor und Sopranistin vom kräftigen Bass überlagert werden.

Es folgen Kyrie und Gloria aus der Messe C-Dur op 169 von Josef Gabriel Rheinberger – ein Sprung ans Ende der klassischen Romantik. Ruhig und getragen, aber kraftvoll singen die Chorgruppe Ost-West, die Elisabethenkantorie Zürich und der Bistumschor «voces laudis» unter der Leitung von Andreas Meier den Ruf um Erbarmen. Die Ernsthaftigkeit der Bitte ist spürbar. Die Bläser schmettern den Ruf zum Himmel, der Kontrabasss sorgt als Gegengewicht für die Bodenhaftung. Die Musik ruft eine erste Gänsehaut hervor.

Rheinbergers Gloria kommt imposant daher, ist eher auf Grösse als auf die Freude des Lobs angelegt und erweckt den Eindruck, dass da mit Lob fast etwas zu dick aufgetragen wurde. Eine wunderschöne Linienführung des Kontrabasses unterlegt den Gesang des Chors, den letzten Ton hat das Orchester.

Zwei überraschende Uraufführungen

Dann folgen die mit Spannung erwarteten Uraufführungen des Komponisten Eugen Meier. Eine herausfordernde Aufgabe, galt es doch, zwei sehr bekannte Gebete zu vertonen: «Mein Herr und mein Gott» von Bruder Klaus und «Herr mache mich zum Werkzeug deines Friedens» von Franz von Assisi. 

Vorgetragen wurde Ersteres vom Bistumschor «voces laudis» und den Chören von Bern, Schönenwerd-Niedergösgen, Zürich, St. Gallen und Magden, unter der Lei-tung von Helene Ringgenberg – a cappella!

Meier hat dem Text entsprechend ein dreiteiliges, motettenartiges Werk komponiert, das sich in den terzverwandten Tonarten Es, C und As bewegt. Doch bewegt ist zuviel gesagt, strahlt der Gesang doch vor allem eines aus: Ruhe und Gelassenheit.

«Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu Dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu Dir.
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir, und gib mich ganz zu eigen Dir.»

Eugen Meiers Komposition hat das Wesen des Gebets auf wunderbarste Weise umgesetzt. Kein Orchester, das dem blossen Wort die Kraft genommen hätte. Keine Variationen, denn diesem Text gibt es nichts beizufügen: Er sagt alles. Zwischen aufstellen der Chöre und dem letzen Ton von Bruder Klausens Gebet vergehen kaum mehr als fünf Minuten. Vollkommene Schlichtheit. Toll.

Gleiches hätte man vom Gebet des Franz von Assisi erwarten können, dem Asketen aus Umbrien. Doch Eugen Meier nutzt Solostimmen, Chorgesang und instrumentale Begleitung geradezu als Werkzeuge, um den Frieden heraufzubeschwören.

Wer die skandinavische Chortradition und Musik kennt, dem wurde sogleich warm ums Herz. Es steigen Bilder des Nordens in einem auf, der Gesang hat etwas Melancholisches, indes gepaart mit der Unbeschwertheit nordischer Tänze. Und so wechseln sich die Stimmen des Gesangs und der Instrumente ab und zeichnen das Gegenspiel von Wahrheit und Irrtum, Glaube und Zweifel, Licht und Finsternis.

Chor und Instrumentalisten werden so selbst zu Werkzeugen des Friedens, zu einem Teil des Gebets «denn wer sich (Gesang und Musik) hingibt, der empfängt».

Vereinter Abschluss

Am Ende des Konzertes singen alle Chöre vereint, unter der Leitung von Helene Ringgenberg, Felix Mendelssohn-Barholdys «Verleih und Frieden gnädiglich». Erstaunlich, wie homogen die doch so verschiedenen Chöre erklingen. Und so sticht die Klarinette heraus, die sich aus dem Klangbild erhebt und deren Töne mit dem Gesang zum Friedensstreiter aufsteigen: 

«…du, unser Gott alleine».

Franz Osswald