Saatgut für Bauern, statt für Konzerne

Bäuerliches Saatgut und das Wissen darüber sind seit jeher Grundlage für eine vielfältige und ökologische Landwirtschaft und Ernährung. Doch die Züchtungen durch Kleinbauernfamilien sind gefährdet: Saatgutkonzerne und Freihandelsabkommen verlangen strikte Saatgut- und Sortenschutzgesetze, um ihr Hochleistungssaatgut zu verbreiten. Bauern und Bäuerinnen sollen ihr Saatgut nicht mehr tauschen und verkaufen dürfen. Auf diesen skandalösen Umstand machen die drei kirchlichen Hilfswerke Fastenopfer, Brot für alle und Partner sein während der diesjährigen Ökumenischen Kampagne aufmerksam.

«Die Gewinnung von Saatgut war bei uns immer in der Hand der Bäuerinnen, die ihr Wissen an ihre Töchter weitergegeben haben. Dass dies nun plötzlich verboten sein soll, ist absurd», sagt die Landwirtin Ruth Nganga aus Kenia, nachdem sie vom neuen Sortenschutzgesetz in ihrem Land erfahren hat. Gesetze wie dieses werden unter dem Druck von Agrarkonzernen in vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens eingeführt. Unter dem Vorwand, den Saatgutsektor zu modernisieren und das geistige Eigentum der Züchterinnen oder Züchter zu schützen, wird den bäuerlichen Familien verboten, Saatgut, das sie aus ihrer eigenen Ernte gewonnen haben, wieder zu verwenden, zu tauschen oder zu verkaufen. Doch genau diese Praxis zeichnet die bäuerlichen Saatgut­systeme in den Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens seit Jahrhunderten aus. Und dies wiederum ist Garant für die Ernährungssicherheit der Menschen in diesen Ländern.

Weltweit produzieren Kleinbauern und Kleinbäuerinnen über 70 Prozent der Nahrungsmittel. Mit überliefertem Wissen und kontinuierlich weiterentwickelten Anbaumethoden sorgen sie für Artenvielfalt und – besonders wichtig in Zeiten des Klimawandels – sie passen ihre Produktion den veränderten klimatischen Bedingungen an. Seit Jahrtausenden züchten Bäuerinnen und Bauern Samen mit spezifischen Eigenschaften, bewahren, tauschen und entwickeln sie weiter. Diese sind resistenter gegen Schädlinge, Trockenheit oder salzhaltige Böden als industriell und gentechnisch produziertes Saatgut. Für viele bäuerliche und indigene Gemeinschaften in Lateinamerika, Afrika und Asien gilt Saatgut als Erbe ihrer Vorfahrinnen und Vorfahren; es ist eng verwoben mit traditionellem Wissen und Spiritualität.

Wer kontrolliert, bestimmt

Heute dominieren drei internationale Saatgutkonzerne den weltweiten Markt für kommerzielles Saatgut. Sie sind so mächtig, dass sie auf nationaler und internationaler Ebene Gesetzesänderungen bewirken können, damit ihr Hochleistungssaatgut geschützt wird und gentechnisch veränderte Samen und Pflanzen zugelassen werden. In Freihandelsabkommen verlangen Industriestaaten – darunter auch die Schweiz – strenge Sortenschutzgesetze, die im Süden und im Norden die Züchtung und den Handel mit Saatgut einschränken oder gar verbieten. Diese Gesetze und der Zwang, nur noch zertifiziertes Saatgut zu verwenden, zerstören ein jahrtausendealtes Landwirtschaftssystem und gefährden das Recht auf Nahrung.

Viele Partnerorganisationen der drei kirchlichen Hilfswerke im Süden berichten, dass Bauern und Bäuerinnen durch die neuen Gesetze kriminalisiert werden, wenn sie auch in Zukunft aus ihrer Ernte Saatgut gewinnen, es tauschen oder verkaufen wollen. 2012 liess die kolumbianische Regierung z. B. 70 Tonnen Reis öffentlich zerstören, weil damit die damals neu verabschiedeten Saatgutgesetze verletzt worden seien.

Die Agrarindustrie orientiert sich an der grossflächigen Landwirtschaft und setzt auf einige wenige Sorten mit grösster Rendite. Als Monokulturen angebaut, ist ihr Saatgut anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Deshalb bieten alle grossen Firmen ihr Saatgut im Paket mit dazugehörigen Düngern und Pestiziden als «integrierte Lösungen» an – mit verheerenden Auswirkungen: Bäuerinnen und Bauern werden zunehmend von wenigen Saatgutlieferanten und -lieferantinnen abhängig und verschulden sich, die Artenvielfalt nimmt drastisch ab. Sie verlieren ihre Möglichkeit, zu bestimmen, was sie anbauen und essen möchten. Ein philippinischer Reisbauer auf Mindanao drückt es so aus: «Unsere 12 000 Jahre alte Erfahrung in Pflanzenzüchtung und unsere Biodiversität sind von Zerstörung bedroht, weil sich das industrielle Saatgut der Saatgutkonzerne ausbreitet. Es ist schmerzhaft und entwürdigend, dass unsere Züchtungen nicht als Beitrag zur Ernährungssicherung und Biodiversität anerkannt werden.»

«Es reicht!»

Immer mehr Bäuerinnen und Bauern wehren sich gegen diese Entwicklung. Partnerorganisationen von Brot für alle, Fastenopfer und Partner sein unterstützen in Lateinamerika, Afrika und Asien entwicklungspolitische Initiativen und Projekte von Bäuerinnen und Bauern, die ihr Saatgut schützen und ihre ökologisch nachhaltige Landwirtschaft stärken. In Guatemala ist es der Zivilgesellschaft gelungen, das «Ley Monsanto», ein strenges Sortenschutzgesetz, vorerst abzuwenden. Auf den Philippinen engagiert sich das neu gegründete nationale Saatgutnetzwerk für die Anerkennung der bäuerlichen Saatgutzüchtungen und gegen industrielles Saatgut und restriktive Sortenschutzgesetze. Im südlichen Afrika setzen sich Landfrauenbewegungen gegen die Einführung von gentechnisch verändertem Mais, für den Schutz ihres vielfältigen Saatguts und die Anerkennung von agrarökologischen Anbaumethoden als zukunftsweisender Landwirtschaft ein.

Seit 2018 erhalten diese Initiativen Zuspruch von den Vereinten Nationen. Nach mehrjährigen Verhandlungen und dank Lobbyarbeit bäuerlicher Organisationen und Hilfswerke wurde die Deklaration für die Rechte von Bauern, Bäuerinnen und weiterer auf dem Land lebender Menschen angenommen. Das Recht auf Saatgut ist dort stark verankert. Die Deklaration ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Bekämpfung von Hunger und Armut. Auch die Schweiz hat dafür gestimmt. Fastenopfer, Brot für alle und Partner sein setzen sich, zusammen mit ihren Partnerorganisationen im Norden und Süden, für die Umsetzung dieser Deklaration ein. Gemeinsam fordern sie eine Agrarpolitik, welche die Rechte der Bauern und Bäuerinnen respektiert. (sehen-und-handeln.ch)

 


Informationen zu Partner sein

Die Webseite zur Kampagne: www.sehen-und-handeln.chBild zu "Partner sein"
Die Webseite von Partner sein: www.partner-sein.ch
Ihr Spendenkonto: PC 25-10000-5, IBAN CH32 0900 0000 2501 0000 5

Partner sein, das Hilfswerk der Christkatholischen Kirche der Schweiz, engagiert sich im Jahr 2020 mit 27 Projekten in 9 Ländern. Auch in diesem Jahr erhalten die christkatholischen Haushalte die entsprechende Projektbroschüre von den Kirchgemeinden zugeschickt. Unter dem Titel «Erträge steigern in Tansania» wird zudem eines dieser Projekte in der ökumenischen Fastenagenda vorgestellt. Partner sein bittet Sie auch dieses Jahr um Ihre grosszügige Unterstützung. Wir freuen uns, wenn wir mit Ihnen zusammen lebenswichtige Veränderungen in unserer Welt bewirken können.