Auffahrt – ein Frühlingsfest unter vielen?

Wie ist das mit Christi Himmelfahrt?

Es geht darum, dass unser Bewusstsein auf der Erde und unser Bewusstsein im Himmel wieder identisch und vereinigt werden, dass «Oben» und «Unten» wieder eins werden und «dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.» Bild: Marlis Dellagiacoma

In der Frühlingszeit geniessen die meisten Leute, die vielen Feiertage: die Tage rund um Ostern, dann Auffahrt, Pfingstmontag und in katholischen Gebieten auch noch Fronleichnam. Wir geniessen die freie Zeit – kennen aber oft die Bedeutung all dieser Festtage nicht oder nur so ungefähr. Bei Ostern, ja, das geht noch einigermassen, da ist der Osterhase halt oft der Stellvertreter eines auferstandenen Jesus und an Pfingsten kommt scheinbar der Heilige Geist … aber wie ist das mit Christi Himmelfahrt, mit der Auffahrt? Diese zu erklären ist schon schwieriger …

Die Vorstellung einer Himmelfahrt Christi ist für uns aufgeklärte Menschen schwer nachvollziehbar, haben wir doch vielleicht auch schon mit dem Auferstehungsgedanken an Ostern Mühe. Doch wir müssen hier kein schlechtes Gewissen haben, es ging und geht nicht nur uns so. So besuchen jährlich hunderttausende Touristen die Geburtskirche in Bethlehem, denn die Geburt eines Kindes ist begreifbar. Ebenso ist die Grabeskirche in der Altstadt Jerusalems ein Pilgermagnet für Millionen. Tod und Geburt, wir finden Analogien im Leben und in der Natur. Die «Himmelfahrtskapelle» auf dem Ölberg jedoch, gegenüber der Altstadt, fristet im Vergleich zu den anderen beiden Kirchen ein veritables Nischendasein.

Wenn ich jeweils das Wort Auffahrt höre, muss ich immer an ein besonderes Erlebnis in meinem Leben denken. Das ereignete sich folgendermassen: Mein Sohn war während seines Ingenieur-Studiums zusammen mit einem Mitstudenten an einem besonderen Projekt beteiligt. Dabei war geplant, mit einer Mikro-Kamera, befestigt an einem kleinen, ferngesteuerten Ballon, Aufnahmen und Messungen aus einer gewissen Höhe zu machen. Die beiden arbeiteten intensiv daran, vor allem nutzten sie auch den ruhigen, freien Auffahrtstag dazu, wo niemand sie störte. Sie arbeiteten konzentriert im Labor, bei offener Tür, steckten ihre Köpfe vor dem Computer zusammen und wollten dann an der Kamera und am Ballon weiterarbeiten – aber – wo zum Teufel war dieser Ballon mit dieser angehängten wertvollen Kamera? Sie rannten auf den Gang – weg war der Ballon, weil dort auch noch ein Fenster offen gestanden hatte …

Am Abend dieses Tages kam mein Sohn geknickt nach Hause … diese teure Kamera war weg … und er sagte dann halb lachend, halb traurig: «Weisst du, und dann ist heute auch noch Auffahrt…»

Die andere Dimension der Wirklichkeit

«Und während er sie segnete, verliess er sie und wurde zum Himmel emporgehoben» (Lk 24,51) Das ganze Kapitel 24 des Lukasevangeliums erzählt davon, dass Jesus auch nach seinem Tod am Karfreitag nicht «tot» war. Aber er hat auch nicht noch einmal 40 Tage auf der Erde gelebt und ist erst dann in den Himmel eingegangen, sondern er ist in dieser Zeit den Jüngern immer wieder erschienen. Doch zwischen diesen Erscheinungen war er weg, für die Jünger nicht zu sehen. Er erschien plötzlich und verschwand wieder ebenso plötzlich. Er konnte durch Wände und Türen gehen. Manchmal erkannten ihn die Jünger nur nach und nach. Manchmal hatten sie sogar nichts als nur die innere Gewissheit, dass Jesus bei ihnen war.

Jesus war also schon in diesen 40 Tagen zwischen Ostern und Himmelfahrt meistens in einer anderen Dimension. Er war in dieser Dimension, die wir Himmel nennen. Aber er konnte in unserer Dimension von Raum und Zeit erscheinen, mal zum Anfassen konkret, mal eher wie ein Geist, mal indem er nur die Seele der Jünger berührte. Die Jünger hatten also erlebt, dass Himmel und Erde füreinander durchlässig sind und dass Jesus auch in unserer Dimension sein kann, ohne dabei seine himmlischen Eigenschaften zu verlieren.

Wenn das so ist, dann klingt es gar nicht mehr so phantastisch, dass Jesus schliesslich emporgehoben wurde und sich den Blicken der Jünger ganz entzog. Sie hatten ja schon öfters erlebt, dass Jesus erschien und wieder in eine andere Dimension verschwand. So heisst es auch in Lk 24, 52, dass sie anschliessend in grosser Freude nach Jerusalem zurückkehrten. Auch lange nach seiner Himmelfahrt ist Jesus vielen Menschen erschienen, zum Beispiel Paulus. Paulus war auf dem Weg nach Damaskus, und plötzlich öffnete sich um ihm herum der Himmel. Er wurde von einem überwältigenden Licht überflutet und hörte Jesus zu sich sprechen.

Das Besondere in diesem Moment war, dass er den Himmel auf einmal wahrnahm, dass er plötzlich in dieser anderen Dimension sehen und hören könnte. Seitdem wusste er, dass Jesus lebendig ist. Und deshalb betrachtete er sich als einen weiteren Zeugen der Auferstehung. Auferstehung bedeutet nicht, dass Jesus auf der Erde herumläuft, sondern dass er lebendig ist. Er ist lebendig und allgegenwärtig in allen Dimensionen der Wirklichkeit.

Himmel auf Erden

Der Himmel ist also nicht weit weg. Er ist eine Dimension der Wirklichkeit, in der wir leben. Die Kraft, aus der wir leben, ist also hier. Aber wenn wir sie nicht erkennen, glauben wir, dass wir nur aus der Materie, die um uns herum ist, leben und deshalb vergänglich sind. Unser Bewusstsein ist dann rein auf die materielle Welt beschränkt. Wir leben dann «aus dem Fleisch und nicht aus dem Geist,» sagt Johannes (Joh 3,6).

Aber wenn wir «mit heiligem Geist getauft werden» (Mt 28,19), wenn wir durch Jesus erleuchtet werden, und die Kraft erkennen, aus der wir leben, gibt das unserem Leben eine ganz neue Qualität. Unser Bewusstsein entspricht dann wieder unserem wahren himmlischen Wesen und wir werden wieder zu Kindern Gottes, die direkt aus seinem Lebensstrom leben.

Auch unser wahres Zuhause ist im Himmel. Wir kommen aus der Dimension des Himmels in diese Welt hinein. Aber ich glaube, dass ein Anteil von uns immer in der himmlischen Dimension präsent bleibt. Vielleicht meint Jesus das, wenn er sagt, dass jeder Mensch einen Engel hat, der ununterbrochen Gott von Angesicht zu Angesicht sieht (Mt 18,10). Ein Teil von uns, unser wahres Wesen, ruht immer in Gott, egal, wo wir uns befinden und wie es uns geht.
Wir leben sozusagen aus dem Himmel heraus in dieser Welt. Es ist, wie wenn unsere Seele im Himmel bleibt, aber unser Kopf sich über den Rand beugt und in eine andere Welt schaut. Und das, was wir hier sehen, nimmt uns dann so sehr in seinen Bann, dass wir ganz vergessen, von woher wir eigentlich in diese Welt hineinschauen.

Und dann glauben wir, dass wir nichts anderes sind, als diese vergänglichen Dinge, die wir hier in Raum und Zeit sehen. Und dann haben wir in der Welt Angst, sagt Jesus, weil wir vergessen haben, dass wir im Himmel und im ewigen, göttlichen Leben fest verankert und geborgen sind. Es geht darum, dass unser Bewusstsein auf der Erde und unser Bewusstsein im Himmel wieder identisch und vereinigt werden, dass «Oben» und «Unten» wieder eins werden und «dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.»

Erst dann, wenn wir die lebendige Kraft des Himmels und die Gegenwart Christi in der Welt wieder wahrnehmen, können wir die Welt wie eine Heimat empfinden. Gott im Alltag zu spüren, ist eine Gnade.

Vielleicht begegnet uns der Auferstandene, wenn wir nicht weiter wissen und dann doch von irgendwoher ein Lichtlein kommt.

Vielleicht begegnet er uns, wenn wir im Gebet Gelassenheit geschenkt bekommen.

Vielleicht begegnet er uns, wenn wir in grosser Not Hilfe erfahren.

Vielleicht begegnet er uns in dem Frieden, den uns ein Gottesdienst, eine Meditation oder schöne Musik schenken.

Vielleicht begegnet uns Gott im Lachen eines Kindes.

Gott zeigt sich, wo und wann er will. Er erlaubt es, dass wir eine Zeit lang im Zweifel leben, dass wir vielleicht Monate oder Jahre lang nichts von ihm hören und spüren, dass wir vielleicht nicht so recht an ihn und an eine Auferstehung glauben können. Wichtig ist, die Tür offen zu halten, damit er zu uns kommen kann, wenn die Zeit dafür reif ist.

Marlies Dellagiacoma, Prn