Der Heilige mit den Geschenken – St. Nikolaus

Ein grosser Heiliger im Osten und Westen

Das Gemälde zeigt Bischof von Myra in der Kirche St.  Nicolas de Veroce. Die Dorf­kirche, die dem Heiligen Nikolaus von Myra im Barockstil gewidmet ist, steht unter Denkmalschutz. Foto: Shutterstock

In die Adventszeit fällt der Heiligentag des vermutlich ­populärsten der Heiligen. Am 6. Dezember gedenkt die ­Kirche dem heiligen Nikolaus von Myra, Bischof, Wunder­täter und Kinderfreund. Sein Gedenktag strahlt über das kirchliche Leben hinaus und hat das Brauchtum – auch in unserer Region – stark geprägt.

Wer kennt ihn schon nicht, den rotgewandeten, bärtigen älteren Herrn mit dem grossen Sack und dem Eselchen – den «Santiklaus». «Im Schwarzwald stoht sys Hüsli» wissen wir aus dem beliebten Kinderlied, was allerdings nicht der historischen Wahrheit entspricht. Denn der heilige Nikolaus lebte an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert und soll Bischof von Myra gewesen sein. Myra liegt heute in der Türkei, rund 100 Kilometer von Antalya entfernt.

Ein Bischof, der sich um die Armen sorgte

Von Nikolaus wird berichtet, er habe am Konzil von Nicäa, dem ersten der ökumenischen Konzile, teilgenommen und dort seinen Gegner Arius geohrfeigt. In den offiziellen – nur unvollständig erhaltenen – Teilnehmerlisten des Konzils fehlt allerdings der Name von Nikolaus von Myra.
Früh schon rankten sich um den Bischof und späteren Heiligen zahlreiche Legenden. So soll er, als er noch nicht Bischof war, von seinem reichen Erbe in drei aufeinanderfolgenden Nächten je einen grossen Goldklumpen durch das Fenster von drei jungen Frauen geworfen haben. Da der arme Vater der drei Frauen sich die Mitgift für eine standesgemässe Heirat nicht leisten konnte, wollte er seine Töchter in die Prostitution zwingen. Nikolaus konnte so durch seine Tat den sozialen Abstieg der drei Frauen verhindern.
Einer anderen bekannten Legende zufolge forderte Nikolaus in einer grossen Hungersnot die vor der Stadt vor Anker liegenden Seeleute auf, ihre mit Korn beladenen Schiffe auszuladen. Die Seeleute weigerten sich zunächst mit dem Hinweis, das Korn sei genau abgewogen und für den Kaiser in Byzanz bestimmt. Sie gaben schliesslich dem Drängen Nikolaus’ nach und erlebten ein Wunder – das Gewicht der Ladung hatte sich, als sie schliesslich Byzanz erreichten, trotz der entnommenen Menge nicht verändert. In der Stadt reichte das Korn aber für die Versorgung der nächsten zwei Jahre.

Vielbeschäftigter Schutzpatron

Auch in anderen Zusammenhängen erlebten Seefahrer Wundertaten von Nikolaus. So riefen Seeleute mitten in einem Seesturm den heiligen Nikolaus um Hilfe. Es erschien ein Mann, der ganz ruhig die Segel setzte und den Seesturm stillte. Sicher im Hafen angelangt erkannten die Matrosen in diesem Mann auch tatsächlich den grossen Heiligen.

Die Kapelle des Heiligen Nikolaus, des Schutzpatrons der Seeleute, auf dem Gelände des Fischercamps von Kap Bolschoj Atlesh, Tarkhankut, Halbinsel Krim.
Foto: Shutterstock

Die zahllosen Legenden, die sich um Nikolaus ranken, hatten auch zur Folge, dass er zum Schutzpatron von zahlreichen Ländern, Berufen oder bestimmten Lebenssituationen wurde. So ist Nikolaus der Schutzpatron von Russland, Serbien oder Süditalien, ebenso aber auch etwa der Seefahrer, Kaufleute, Apotheker, Metzger und Bäcker, von Getreidehändlern, Dreschern, Pfandleihern, Juristen, Schneidern, Küfern, Fuhrleuten und Salzsiedern. Nikolaus ist auch der Patron der Schüler und Studenten, Pilger und Reisenden, Liebenden und Gebärenden, der Alten, Ministranten und auch von Dieben, Gefängniswärtern, Prostituierten und Gefangenen. Vor allem aber ist Nikolaus bis heute der grosse Freund und Schutzheilige der Kinder geblieben.

Ein grosser Heiliger im Osten und Westen

Wie kaum ein anderer wird St. Nikolaus sowohl in der Ost- wie auch in der Westkirche als grosser Heiliger verehrt. Davon legt auch die Kapelle im christkatholischen Studentenheim in Bern Zeugnis ab. Da in diesem Studentenheim immer wieder auch Studierende aus orthodoxen Kirchen wohnen, lag es nahe, die kleine Kapelle dem Nikolaus zu weihen. Dass dabei auch die Patroziniumsfeste am 6. Dezember jeweils besonders fröhliche Feiern sind, überrascht wohl nicht.

Aus dem Bischof von Myra wird der «Santiklaus»

Angesichts seiner grossen Popularität und wohl auch wegen der Nähe seines Festtages zum Weihnachtsfest, wandelte sich die Heiligenfigur auch zu einer Gestalt des Brauchtums. Er wurde nun zu dem Mann, der die Geschenke bringt. Und so kam es unter anderem dann eben auch dazu, dass der kleinasiatische Bischof sein «Hüsli» im Schwarzwald bezog. In noch einmal einer anderen Variante wurde er zum «Santa Claus», zum Weihnachtsmann, der auf seinem von Rentieren gezogenen Pferdeschlitten daherfährt (oder fliegt!) und die Geschenke durch die Hauskamine wirft – und dazu wenn möglich noch «Jingle Bells» singt.

Der schenkende Heilige

Man mag diese Kommerzialisierung und Verkitschung von St. Nikolaus zu Recht bedauern. Dennoch spiegelt sich aber gerade in dieser grossväterlichen Gestalt mit dem reich gefüllten Geschenkesack durchaus der Heilige wider, wie er in den Legenden erscheint.

Als ein Mann, der immer wieder reiche Ge­schenke machte. Dies allerdings nicht, weil die Kinder wieder einmal brav waren oder man das halt an Weihnachten so macht. Nikolaus beschenkte Menschen vielmehr um ihre reale, schlimme Not zu wenden. In dieser Hinsicht bleibt der schenkende Heilige ein Vorbild bis heute für die grossen christlichen Tugenden des solidarischen Teilens und der Fürsorge für die Menschen, die es besonders nötig haben.

Durch die zeitliche Nähe seines Festtages zum Geburtsfest Jesu weist er uns zudem immer wieder auf das gros­se Geschenk hin, das Gott uns Menschen gemacht hat: seine Menschwerdung in Jesus Christus – auch dies ein Geschenk, das die Not wendet.

Thomas Zellmeyer


Brot für Myra
von Otfried Preussler und
Ludvik Glazer-Naudé

Wer war eigentlich dieser Sankt Nikolaus, den alle Kinder jedes Jahr so sehnlich erwarten? Dies ist die Geschichte vom echten Nikolaus, für Kinder ab 5 Jahren.

Einband: Gebundene Ausgabe
ISBN: 978-3-522-18604-9
Verlag: Thienemann-Esslinger GmbH