Die Geburt eines Liedes – im Anfang war die Idee

Zum Jubiläum schenkt der Chorverband der ganzen Kirche zwei neue Gemeindelieder

Diese Ansicht des Sommerpsalms gibt einen kleinen Eindruck wie die Arbeit an einem Lied anfängt. Erst entsteht die Melodie, dann eine Klavierbegleitung dazu. Glaser-Keune, Sommerpsalm Foto: ZVg

An den XXXI. Christkatholischen Chortagen am Wochenende vom 6. und 7. Mai in Basel werden gleich zwei neue Gemeindelieder zum ersten Mal gesungen, die als ergänzendes Liedblatt mit den Nummern 940 und 941 unse­rem Gebet- und Gesangbuch (CG) an- bzw. eingefügt werden. Wie kommt es dazu, dass ein neues Lied entsteht? Und was muss geschehen, damit es zu einer solchen «Geburt» kommen kann?

Im Anfang war … die Idee. Als an der Pastoralkonferenz der Christkatholischen Kirche der Schweiz im Jahr 2019 die Idee präsentiert wurde, in den Jahren 2021 bis 2026 das 150jährige Bestehen der Christkatholischen Kirche zu feiern, war es für den Verband Christkatholischer Kirchenchöre der Schweiz sofort klar, dass er mitfeiern würde. Die beste Gelegenheit dafür wären die XXXI. Christkatholischen Chortage im Jahr 2023. Dabei sollte es nicht nur die Uraufführung einer neuen Messe für unsere Kirchenchöre geben. Aus dem besonderen Jubiläumsanlass wollte der Chorverband der ganzen Kirche ein Geschenk machen, indem er ein neues Gemeindelied in Auftrag gab. Letztmals wurden vom Chorverband in den 1950er Jahren neue Gemeindelieder als Kompositionsauftrag vergeben. Diese wurden am XVIII. Christkatholischen Sängertag in Zürich im Jahr 1959 zur Uraufführung gebracht und fanden in der 11. Auflage des Gesangbuchs der Christkatholischen Kirche der Schweiz (also im «schwarzen» Gesangbuch) unter den Nummern 301 bis 306 Aufnahme.

«Wie schön, die Kirche, die nach neuen Worten sucht, Gott zur Sprache zu bringen und Men­schen zu erreichen!»

Jaqueline Keune

Zunächst galt es den Text für das neue Lied zu finden. Selbst einen zu schreiben, war keine Option. Denn es gibt schon so viele schöne religiöse Texte. Also gingen wir auf die Suche: Anselm Grün, Jörg Zink, Ernesto Cardenal und andere wurden «durchforstet». Und dann kam – nicht zuletzt durch Priester Niklas Raggenbass angeregt – eine Frau in die engste Wahl: Jacqueline Keune mit ihrem 2016 erschienenen Büchlein «Scheunen voll Wind. Gebete und Gedichte». Gleich eine ganze Reihe von ihren kurzen Texten sprachen uns sehr an.

«Eine Dichterin mit berührenden Texten
und ein Musiker mit Kompositionen, die zu Herzen gehen!»

Niklas Raggenbass

Diese Texte wollten nun einen Komponisten finden, der einen von ihnen vertonte. Wiederum durch Niklas Raggenbass wurden wir auf den christkatholischen Komponisten, Organisten und Chorleiter Engelbert Glaser aufmerksam, der wie die Textdichterin in Luzern beheimatet ist. Es tellte sich heraus, dass er vom Stil her geeignet war, Lieder zu komponieren, die bei vielen GottesdienstbesucherInnen Anklang (im wahrsten Sinne des Wortes) finden könnten. Unsere Anfrage bei ihm fand sofort positive Resonanz. Er liess sich Jacqueline Keunes Texte schicken und legte im Jahr 2020 gleich fünf oder sechs Vertonungen vor. So trafen wir uns mit ihm, um eine Vertonung auszuwählen. Zwei davon, «Durchs Feuer» und «Sommerpsalm», gefielen uns gleichermassen gut, so dass wir uns nicht entscheiden konnten, welche «das Rennen machen» sollte. Die Konsequenz war, dass wir sagten: «Also, dann machen wir gleich beide zu neuen christkatholischen Gemeindeliedern»!

Erst ensteht die Melodie

Und nun fing die eigentliche Arbeit erst an. Abbildung 1 gibt einen kleinen Eindruck davon: Erst entsteht die Melodie, dann eine Klavierbegleitung dazu. Dadurch, dass in Keunes Gedicht die einzelnen Verse verschieden lang sind, muss diesem Umstand in der Rhythmisierung der Melodie Rechnung getragen werden, damit Wort- und Melodieakzent möglichst gut übereinstimmen. Es gibt in Keunes Texten auch Stellen, die von der Anzahl der Silben beim besten Willen nicht in die vom Komponisten vorgesehene Länge der Melodie passen. Zudem wurden aus dem Kreis des Chorverbandes, z. T. aus Gründen der Singbarkeit, Änderungsvorschläge zum Text gemacht.

«Gerne habe ich der Anfrage entsprochen, die neuen Gemeindelieder in einer zum CG passenden Form zu gestalten.»

Peter Hagmann

Das alles musste natürlich mit der Textdichterin besprochen und von ihr genehmigt oder verworfen werden. Von diesem Arbeitsschritt zeugt Abbildung 2. Endlich war eine Fassung der beiden Lieder «geboren», die sowohl die Textdichterin, als auch den Komponisten und den Chorverband überzeugte.
In einem Testlauf führte die Musikkommission des Chorverbandes 2021 den Delegierten des Verbandes die beiden Lieder in der einstimmigen Fassung mit Klavierbegleitung vor. Die Delegierten waren davon sehr angetan (und wohl froh, dass keine Lieder in der Zwölftontechnik entstanden waren, wie das z. T. in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts der Fall war, sondern Lieder mit einer schönen, sangbaren Melodie).

Mehrstimmig für Kirchenchöre

Damit war aber die Arbeit nicht getan. Der Anspruch des Chorverbandes war, dass die Lieder in einer Form vorliegen, die CG-kompatibel sind, sowohl was das Format als auch die gute Lesbarkeit betrifft. Zudem sollten beide Lieder nicht nur mit der Orgel, sondern auch z. B. von der Gitarre begleitet werden können. Das bedingt, dass die Noten mit den nötigen Harmonieangaben versehen sind. Also wurde Peter Hagmann gefragt, ob er eine CG-taugliche Vorlage erstellen könne. Sofort war er bereit dazu. Abbildung 3 zeigt, wie diese Vorlage aussieht, in der der Schritt der Harmonisierung gerade eingefügt wird.
Die Wünsche des Chorverbandes gingen aber noch weiter: Der Komponist sollte auch eine Fassung vorlegen, die als mehrstimmige Version von unseren Kirchenchören gesungen werden kann. Auch dieser Arbeit unterzog sich Engelbert Glaser. Die vierstimmige Version der beiden Lieder dient gleichzeitig als Orgelbegleitung zum einstimmigen Gemeindelied. Im Jahr 2022 war die kompositorische Arbeit Engelbert Glasers glücklich abgeschlossen.

«Wunderbar, dass der Schweizer Chorverband – nach 1959 – zum zweiten Mal unserer Kirche neue Gemeindelieder schenkt.»

Klaus Wloemer

Dank der Mithilfe des Synodalrates der Christkatholischen Kirche der Schweiz und verschiedener Geldgeber liegen nun die beiden neuen Gemeindelieder gedruckt vor. Da jede Strophe rhythmisch etwas anders daherkommt, sind die vier (CG 940) bzw. drei (CG 941) Strophen hintereinander geschrieben (analog zum Lied CG 847). Dafür mussten wir darauf verzichten, das Lied für das CG vierstimmig abzudrucken. Das hätte zu viel Platz eingenommen. Ganz alle Wünsche lassen sich eben nicht erfüllen …

«Bewährtes behutsam wahren und Neues mit achtsamen Sinnen ergänzen – das ist die Aufgabe jedes Kirchenmusikers!»

Engelbert Glaser

Wir wünschen den beiden neuen Liedern, die den Themenbereichen «Bitte und Fürbitte» (CG 940) und «Lob und Dank» (CG 941) zugeordnet sind, eine gute Aufnahme in unseren Kirchgemeinden!

Klaus Wloemer
Präsident des Verbandes Christkatho­lischer Kirchenchöre der Schweiz