Die Menschenrechtslage auf den Philippinen

Einblicke aus erster Hand – Der Besuch von Bischof Antonio Ablon in der Schweiz

Die schweizerisch-philippinische Delegation in Bern. Bild: ZVg

Was haben wir bei der allgemeinen periodischen Überprüfung der Vereinten Nationen über die Philippinen erreicht? Was haben wir versäumt? Die internationale Gemeinschaft ist sich der Menschenrechtsverletzungen auf den Philippinen sehr wohl bewusst. Nur die philippinische Regierung leugnet sie.

Bei der kürzlich durchgeführten allgemeinen regelmässigen Überprüfung (Universal Periodic Review, UPR) der Vereinten Nationen äusserten mehrere Staaten ernsthafte Bedenken über die Menschenrechtslage auf den Philippinen. Mindestens fünf Staaten, darunter die USA, Sierra Leone, Schweden, Rumänien und Liechtenstein, forderten die philippinische Regierung auf, das «red-tagging» zu beenden, welches die Menschenrechtsanwälte, Journalisten und indigenen Völker bedroht. Unter «red-tagging» versteht man das böswillige Setzen auf eine schwarze Liste von Personen und Organisationen, welche die Handlungen der Regierung kritisch sehen oder nicht vollständig unterstützen. Sierra Leone ging noch weiter und forderte die Abschaffung der National Task Force to End Local Communist Armed Conflict (NTF-ELCAC). Diese wurde von der Regierung als Reaktion auf die Aufstände der Kommunistischen Partei in den Philippinen gegründet. Sie wendet sich aber nicht nur gegen kommunistische Gruppierungen, sondern auch gegen Gruppen, die sich für die Menschenrechte auf den Philippinen einsetzen.

Mindestens 35 Staaten forderten die Philippinen auf, der Straflosigkeit ein Ende zu setzen und die Menschenrechtsverletzungen im Drogenkrieg und bei anderen Vorfällen zu untersuchen sowie die Urheber strafrechtlich zu verfolgen. Etwa 38 Staaten forderten den Schutz von Menschenrechtsanwälten und Journalisten vor Schikanierungen und Angriffen. Mehrere Staaten forderten den Erlass eines Gesetzes zum Schutz von Menschenrechtsanwälten.

Mindestens sieben Staaten, darunter Frankreich, Portugal und Luxemburg, forderten die Philippinen auf, dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wieder beizutreten und bei den laufenden Ermittlungen zu kooperieren. Es gab auch Staaten, die die Philippinen aufforderten, ihr Anti-Terror-Gesetz zu überarbeiten, um es mit internationalen Menschenrechtsstandards in Einklang zu bringen.

Wir betrachten diese Äusserungen der internationalen Gemeinschaft als positiv, und sie sollten von der philippinischen Regierung ernsthaft in Betracht gezogen werden. Wie erwartet, weigert sich die philippinische Regierung jedoch, die Schwere der Menschenrechtskrise auf den Philippinen anzuerkennen.

Abweichend von seiner vorbereiteten Rede bestritt Justizminister Jesus Crispin Remulla, dass die philippinische Regierung eine Politik des «red-tagging» betreibe. Der Begriff sei mutmasslich eine reine Erfindung der Linken, „um die Linke zu schützen“. Man weigert sich, die Probleme, welche diese heimtückische Praxis verursacht, auch nur anzuerkennen. Und so bedeutet diese Weigerung eine Fortsetzung dieser gefährlichen Politik zum Nachteil der Menschenrechtslage auf den Philippinen.

Die Reaktion der philippinischen Regierung auf die Problematik der Straflosigkeit im Drogenkrieg war bisher nur symbolisch. Gegen 17.000 Polizisten wurde ermittelt, jedoch nur 25 Fälle wurden zum Abschluss gebracht. 27 Polizisten wurden aus dem Dienst entlassen und 18 wurden degradiert. Das ist nichts als ein Tropfen auf den heissen Stein. Der Straflosigkeit wird damit kein Riegel vorgeschoben. Bis heute gab es kein einziges Strafverfahren vor Gericht bezüglich des Massakers am Blutsonntag (Bloody Sunday massacre) als neun Aktivisten von staatlichen Kräften getötet und sechs verhaftet wurden. Dies obwohl die Voruntersuchungen gegen die beschuldigten Polizeibeamten monatelang andauerten.

Aus den Äusserungen der philippinischen Regierung lässt sich ableiten, dass sie die Empfehlungen bezüglich des «red-tagging», des Anti-Terror-Gesetzes und des Internationalen Strafgerichtshofes ablehnen wird. Dies sind wichtige Empfehlungen zur Beseitigung der Straflosigkeit, aber wahrscheinlich wird die philippinische Regierung diese Empfehlungen nicht annehmen.

Die Grenzen der allgemeinen periodischen Überprüfung (UPR)

Während es positiv ist, dass philippinische Menschenrechtsfragen in einem internationalen Rahmen behandelt werden, sollten wir jedoch auch die Grenzen diese Prozesses der allgemeinen periodischen Überprüfung beachten. Im Gegensatz zum Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, der sich aus Menschenrechtsexperten zusammensetzt, welche schärfere Kritik üben, müssen die Empfehlungen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen auf diplomatischem Wege erfolgen.

Dieser Prozess wird unter anderem von den wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen den Staaten beeinflusst. So kann es geschehen, dass die Kritik an der philippinischen Regierung gemildert oder abgeschwächt wird. ASEAN-Mitgliedstaaten beispielsweise neigen dazu, einen anderen Mitgliedstaat nicht zu kritisieren.

Wichtige Themen im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte wie niedrige Löhne, hohe Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, fehlgeschlagene Pandemiebekämpfung, massive Verdrängung von Arbeitsplätzen, die Bildungskrise, das unterfinanzierte Gesundheitssystem und andere wurden bei der allgemeinen periodischen Überprüfung (UPR) nicht thematisiert.

So hat das gemeinsame Programm der Vereinten Nationen zur Förderung der Menschenrechte und zum Ausbau der Ressourcen der philippinischen Regierung zur Verfolgung jener, welche die Menschenrechte verletzen, keine nennenswerten Ergebnisse erbracht.

Letztlich muss der Kampf für die Menschenrechte und gegen die Straflosigkeit ausserhalb des Prozesses der allgemeinen periodischen Überprüfung (UPR) fortgesetzt werden. Es wäre die Aufgabe der philippinischen Bevölkerung, die schlimme Situation anzuprangern, um so die Regierung zum Handeln zu drängen, und zwar zu einem raschen Handeln. Verschiedene Gruppen werden sich dafür einsetzen, die ausländische Militärhilfe für die Philippinen zu kürzen. Dies auf Grund der Menschenrechtsverletzungen, die dort geschehen. Die Länder können die Militärhilfe davon abhängig machen, ob die philippinische Regierung die Empfehlungen der Rechtsexperten der Vereinten Nationen und der Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen (UNHCR) umsetzt.

Dank an die Christkatholische Kirche der Schweiz

Unsere Lobbyarbeit innerhalb und ausserhalb der Vereinten Nationen wäre ohne die Hilfe von Schweizer Christinnen und Christen nicht möglich gewesen. Daher möchte die philippinische UPR Watch – ein Bündnis verschiedener Menschenrechtsgruppen unter der Leitung der ökumenischen Stimme der Philippinen (Ecumenical Voice Philippines), der philippinischen Menschenrechtsorganisation KARAPATAN und des Nationalen Rates der Kirchen auf den Philippinen in Koordination mit der Kaplanei der Philippinischen Unabhängigen Kirche in Europa – der Christkatholischen Kirche der Schweiz unter der Leitung von Bischof Dr. Harald Rein unseren herzlichen Dank aussprechen. Nicht nur wurde für unsere Unterkunft und unseren Transport in Genf während unseres Aufenthalts vom 5. bis 16. November 2022 gesorgt, sondern wir wurden auch in den Kirchgemeinden von Zürich, Bern und Genf herzlich empfangen und untergebracht. Wir waren tief beeindruckt, wie unsere Anliegen für die Menschenrechte liturgisch und spirituell in den sonntäglichen Eucharistiefeiern aufgenommen wurden. So erhielten unsere Teams Zeit und einen sicheren Raum, um über ihre Geschichten zu sprechen und sich in lebhaften und interessanten Diskussionen zu engagieren. Dies sowohl offiziell während der Messe und beim Kirchenkaffee nach der Messe als auch informell bei ungezwungenen Gesprächen. Schliesslich nahm Bischof Harald Rein trotz seines hektischen Terminkalenders persönlich an unserem Gebet für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden teil und bekundete seine herzliche Solidarität mit uns durch seine Teilnahme an einem Forum am Sitz des Ökumenischen Rates der Kirchen.

Diese Handlungen der Solidarität und des Mitgefühls stärken uns, sie geben uns Hoffnung und tragen dazu bei, dass wir in Bewegung bleiben, um unsere Agenda zu Gunsten der Achtung der Menschenrechte zu verwirklichen und einen auf Gerechtigkeit basierenden Frieden zu erreichen.

Bischof Antonio Ablon
von der Philippinischen Unabhängigen Kirche und
Renato Reyes Jr.
von der philippinischen UPR Watch


Impressionen vom Besuch Bischof Ablons in Bern