Ein Lebenskreis schliesst sich

Interview mit Stephan Feldhaus, Kandidat für das Ständige Diakonat

Stephan Feldhaus wagt mit 58 Jahren einen «Neuanfang». Nicht wirklich, denn die innere Berufung, ein kirchliches Amt zu bekleiden, spürte er schon in seiner Jugend. Bis er ihr folgte, lernte Feldhaus das Leben auf vielfältige Weise kennen.

Er kennt das Leben. Stephan Feldhaus, 58 Jahre alt und seit kurzem Kandidat für das Ständige Diakonat in der christkatholischen Kirche der Schweiz. Wer den Namen Stephan Feldhaus googelt, findet in der Suche als erstes seine neue Agentur und dann neben dem Namen den Zusatz «Roche». Bis vor zwei Jahren arbeitete Stephan Feldhaus als Leiter Group Communication bei der F. Hoffman-La Roche und gehörte der erweiterten Geschäftsleitung an. Ein Mann von Welt, denkt man sogleich. Und der schicke Anzug, den er beim Gesprächstermin trägt, bestärkt diesen Eindruck. Das Aber, das folgt, hat mit seiner Herkunft zu tun.

Es braucht doch ein gewisses Vorstellungsvermögen, sich Stephan Feldhaus in Metzgerkluft vorzustellen. Doch genau diesen Beruf hat er in seiner Jugend erlernt. Aufgewachsen ist Feldhaus im kleinen Städtchen Selm im Münsterland, nahe dem Ruhrgebiet. Eine Arbeitergegend, wie er erzählt. Seine Eltern führten einen mittelständischen Metzgereibetrieb. Doch aus dem gelernten Metzger Feldhaus wurde kein Nachfolger für den Familienbetrieb, sondern ein Student mit Abitur in Latein und Griechisch.

Aus dem Handwerk

Für den gelernten Metzger boten Philosophie, Latein und später die Theologie jenes Fleisch am Knochen, das er in anderer Form im elterlichen Betrieb kennengelernt hatte. Dass der junge Student zur Theologie wechselte, hat seinen Ursprung wiederum in seiner Heimat. In Selm engagierte sich Feldhaus in der römisch-katholischen Pfarrei. «Das Gemeindeleben hat mich immer sehr angesprochen, die Arbeit an der Basis – mit Menschen». Dort habe er sich beheimatet gefühlt – über Selm hinaus. In jeder Pfarrei, der er später angehörte – und die Liste ist lang – hat Stephan Feldhaus sich für das Gemeinwohl eingesetzt. Weshalb? «Ich habe bereits in jungen Jahren eine Berufung dazu gespürt». Eine, die sich während der Studienzeit verdichtete und dazu führte, dass er sich in Münster als Priesteramtskandidat meldete.
Es folgten Studien in München, Zürich, Luzern – und ein Aufenthalt in Rom. Einer mit Folgen. «Je mehr ich mich vom Gemeindeleben weg bewegte und die Institution ‘Römisch-Katholische Kirche’ kennenlernte, desto grösser wurden meine Zweifel, als Priester dieser Kirche am richtigen Ort zu sein.»

Sein Fazit: «Ich hab’s gesehen», Feldhaus zog seine Kandidatur zurück. Was blieb, war ein abgeschlossenes Theologiestudium mit Schwerpunkt Sozialethik/Moraltheologie, ein Bakkalaureat in Philosophie, ein Doktortitel, unzählige Veröffentlichungen – und der Einsatz in Pfarreien und Gesellschaft.
Eine Neuausrichtung war angesagt. Stephan Feldhaus kniete sich in die akademische Arbeit, war als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München tätig, für den Rat von Sachverständigen für Umweltfragen der Bundesrepublik Deutschland in Wiesbaden und als Redaktionsleiter Bioethik/Wirtschaftsethik der Görres-Gesellschaft. Der akademische Weg mit Ziel einer Professur fand indes ein abruptes Ende – durch einen damals noch einflussreichen Kirchenmann, der Feldhaus als ‘zu liberal’ und ‘nicht kirchlich’ einstufte. Auch hier musste Feldhaus lakonisch feststellen: «Ich hab’s gesehen».

Stephan Feldhaus erklärt den Gästen im Garten der Offenbar sein Menü. Bild: Bangert

Ein neues Arbeitsfeld tat sich für ihn in der Wirtschaft auf. Nicht predigen oder dozieren waren angesagt, aber der Vermittlung blieb Feldhaus treu: Er wurde Leiter der internen Kommunikation bei Siemens in Erlangen und stieg dort bis zum Standortleiter und zum Leiter der globalen Kommunikation im Bereich ‘Healthcare’ auf. Genau auf diesem Gebiet der Gesundheit lockte im Jahre 2010 eine Stelle in Basel bei der Roche. «Ich habe die Schweiz schon früh in meiner Studienzeit schätzen gelernt und habe eine innere Beziehung zu diesem Land». Das war auch der Grund, weshalb er gerne nach Basel kam. Zusammen mit seiner damaligen Frau und den beiden heute erwachsenen Kindern Hannah und Lukas. Heute lebt Feldhaus «mittendrin» im Kleinbasel – zusammen mit seiner neuen Partnerin.

In Basel angekommen

Die Arbeit bei Roche war interessant und (heraus)fordernd, die Verantwortung gross. Das Unternehmen ging in dieser Zeit hoch hinaus und baute – auch als Zeichen der Verbundenheit mit dem Standort Basel – den ersten Rocheturm. Mit Basel immer mehr verbunden fühlte sich auch Stephan Feldhaus. Und das nicht nur wegen geschäftlicher Tätigkeiten, sondern auch wegen kirchlicher. 2012 erhielt er einen Anruf vom Pfarrer der christkatholischen Kirchgemeinde Basel, Michael Bangert. Grund des Telefonats war eine Teilnahme an den «Sternschnuppen über Mittag». Feldhaus sagte zu – und stellte während des Gesprächs fest, dass beide sich bereits kannten: Aus ihrer gemeinsamen Zeit am Priesterseminar Münster, vor über 30 Jahren.

So begann sich der Kreis zu schliessen. Stephan Feldhaus trat mit Familie der christkatholischen Kirche und der Gemeinde Basel bei, engagiert sich heute im Team der Offenbar, sitzt als Vertreter der Basler Christkatholiken im Stiftungsrat des Ökumenischen Altes- und Pflegeheims Johanniter und gestaltet unter anderem mit Michael Bangert einen Glaubenskurs. An der Theologischen Fakultät der Universität Basel unterrichtet Feldhaus zudem Ethik, engagiert sich leidenschaftlich für den Bau eines Palliativzentrums und Kinderhospizes in Basel und für die Kunst- und Kulturszene.

Dem inneren Ruf gefolgt

Nach über zwanzig Jahren in der Wirtschaft hatte es Stephan Feldhaus einmal mehr «gesehen». Er gründete sein eigenes Unternehmen im Kommunikations- und Beratungsbereich und berät heute eine ganze Reihe an Unternehmen und Einzelpersonen. Und: «Ich habe mir vorgenommen, einen Teil meiner Zeit in die ehrenamtliche Arbeit zu investieren.» Denn: Das Gefühl der inneren Berufung hat ihn auf seinem Lebensweg stets begleitet. Immer waren ihm der Mensch, die Ethik und das Soziale ein grosses Anliegen.

So verwundert es nicht, dass der «Mann von Welt» mit Metzgerlehre dort anknüpft, wo er schon immer seine kirchliche Heimat gesehen hat: an der Basis und bei den Menschen, als Diakon. Hier möchte Stephan Feldhaus in der Verkündigung, der Alters- und Sterbepastoral und der Vernetzung der christkatholischen Kirche in der Stadtgesellschaft Schwerpunkte setzen. «Ich habe vieles in meinem Leben gesehen. Jetzt beginnt sich ein Lebenskreis zu schliessen. Ich komme an. Und ich bin dankbar, dass Synodalrat und Bischof und die Basler Gemeinde mir das Vertrauen schenken und ich diesen Weg gehen darf.»

Franz Osswald