Grüne Theologie

Im Gespräch mit Trees van Montfoort

Dr. Trees van Montfoort ist Theologin, Pfarrerin und Kommunikationsberaterin und lebt in Utrecht.

Im Mai dieses Jahres wird das Buch grüne Theologie von Trees van Montfoort veröffentlicht. Ein wichtiges Buch, von dem bereits eine niederländische und eine englische Ausgabe erschienen sind. Die Autorin beantwortet die Frage, was grüne Theologie und Nachhaltigkeit miteinander zu tun haben. Sie liefert auch eine Analyse des theologischen Diskurses und plädiert für ein neues theologisches Paradigma. Hier möchte ich das Werk von van Montfoort vorstellen und die Bedeutung dieses Buches für die konkrete kirchliche Praxis herausstellen. Dabei hatte ich das Privileg, mich bei einem Gespräch mit van Montfoort in Utrecht über eine Reihe von Fragen auszutauschen.

Was haben grüne Theologie und Nachhaltigkeit miteinander zu tun? Den meisten Kirchen ist bewusst, dass es der Umwelt nicht gut geht. Und wir glauben, dass es ein biblischer Auftrag ist, für die Schöpfung zu sorgen. Deshalb setzen wir uns zum Beispiel für einen bewussten Umgang mit den Ressourcen der Erde ein, um die globale Erwärmung zu bekämpfen und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Aber wie weitreichend ist dies? Van Montfoort meint, wir bleiben an der Oberfläche und vernachlässigen die Frage, ob unsere Theologie manchmal selbst Teil des Problems ist. Was wir brauchen, ist ein anderes Paradigma in der Theologie.

Van Montfoort geht von der Bibel aus: «Bisher wurde die Bibel fast ausschließlich anthropozentrisch gelesen, so als ob die Schöpfung nur für den Menschen bestimmt wäre. Schließlich ist es ein biblischer Gedanke, dass die Schöpfung ein Geschenk an den Menschen ist. Das heißt aber nicht, dass uns alles gehört, denn dem Ewigen gehört die Erde und alles, was auf ihr lebt, wie es in Psalm 24,1 heißt. Es ist ein biblischer Gedanke, dass die ganze Schöpfung von Gottes Wesen zeugt und Gott lobpreist. In den Psalmen und in Teilen der Propheten sind es die Wälder und die Berge, die aufgerufen werden, Gott zu loben.»

Wie es um unser Denken über die Schöpfung gestellt ist, wird illustriert anhand des Sonnengesangs des Franziskus von Assisi. Dieser Gesang auf die Schöpfung ist beliebt in Kreisen der grünen Theologie. Der Papst hat seine Enzyklika Laudato Si‘ gerade nach der ersten Zeile des Sonnengesangs benannt. Wir sind es gewohnt zu singen: Gelobt seist Du für Schwester Mond und die Sterne. Von Montfoort weist darauf hin, dass das Wort «per» im umbrischen Dialekt nicht nur mit «für», sondern auch mit «durch» übersetzt werden kann: Gelobt seist Du durch Schwester Mond und die Sterne. Das ist für uns ungewohnt, aber gerade eine solche Lesart steht im Einklang mit den Psalmen.

Die Verschiebung hin zu einer anthropozentrischen Sicht der Bibel lässt sich bereits bei den Kirchenvätern feststellen. Wie van Montfoort erklärt, «sehen die Kirchenväter den Menschen als Priester der Schöpfung, der die gesamte Schöpfung zu Gott zurückbringen müssen. Das beinhaltet zwar den Gedanken der Verantwortung für die Schöpfung. Und Priester sind ja auch Teil des Volkes Gottes und der ganzen Schöpfung. Aber es ist auch eine Verengung, weil es die Fähigkeit zurückdringt, gemeinsam mit allen Geschöpfen zu handeln.»

Es heißt, dass Gott uns in den Gesichtern anderer Menschen begegnet. Das ist eine beliebte Denkweise, aber auch anthropozentrisch. Wer aber Gott in der Schöpfung begegnen will, riskiert, als Pantheist bezeichnet zu werden. Und wer auch Tiere als Wissensträger über Gott mit einbeziehen will, landet schnell am Rande der Kirche. Van Montfoort ist sich darüber im Klaren: «Wenn wir den Menschen im Mittelpunkt unseres Denkens stellen, stellen wir uns außerhalb der Schöpfung, und das entspricht nicht dem Konzept der Bibel. In der Bibel steht der Mens nicht über der Schöpfung, sondern ist Teil der Schöpfung. Was ich sehr wichtig finde, ist die Fähigkeit aller Lebewesen zu handeln. Und da wende ich mich auch an Bruno Latour und Timothy Morton, die dieses anthropozentrische Paradigma als Philosoph aufdröseln und auch zeigen, wie sehr alles miteinander verbunden ist.»

Van Montfoort verbindet ihre sorgfältige Bibelforschung mit einer gründlichen systematisch-theologischen Untersuchung. Es handelt sich nicht gerade um eine neue Theologie, die van Montfoort hervorhebt, da feministische Theologinnen wie Sallie McFague und Isabel Carter Heyward bereits in den 1980er Jahren an einer relationalen Theologie arbeiteten. McFague schlug bereits vor, die Welt als Gottes Körper zu sehen. In der Nachfolge von McFague untersucht van Montfoort die Arbeit moderner ökofeministischer Theologinnen, wie Ivone Gebara, Catherine Keller und Elizabeth Theokritoff. Sie ist der Ansicht, dass die feministische Theologie relevante Fragen auf einer sehr grundlegenden Ebene anspricht. Weltanschauung, Menschenbild und Gottesbild werden konsequent in Bezug zueinander untersucht.

Was können wir als Gläubige konkret tun? Auch hier ist van Montfoort sehr deutlich: «Wir haben unsere Rolle in einem Ganzen, aber auch andere Lebewesen und nicht lebende Wesen tun ihre Dinge. Die Lösung besteht darin zusammenzuarbeiten. Nicht verwalten, sondern zusammenarbeiten. Denn wenn wir verwalten, bestimmen wir für andere. Aber wenn wir zusammenarbeiten, hat auch der andere etwas beizutragen!» Wir sollten also auch auf Tiere hören, ja sogar auf Bäume und, wie die Bibel sagt, auf Berge. Und zwar nicht nur, weil wir geteilte Belangen haben, sondern auch weil wir glauben, dass Gott sich in ihnen erkennen lasst. So wird sich nicht nur unsere theologische Sprache ändern, sondern auch wie wir die Welt und uns selbst sehen.

Es geht also um eine Theologie die sich befasst mit dem inhärenten Wert und der Handlungsfähigkeit aller Lebewesen. Wie können wir diese Kenntnis integrieren, wenn wir einen Gottesdienst vorbereiten? Ehe man sich versieht, macht man einen weiteren Themengottesdienst über die Schöpfung. Sollte nicht ein anderes Paradigma alles durchdringen? Van Montfoort: «Man kann sich einfach an das Lektionar halten. Die Frage ist, welche Perspektive man wählt. Einmal fand ich im Lektionar eine Lesung aus Lukas 8,26-39 über einen von Dämonen Besessenen Mann. Jesus befiehlt den Dämonen, in eine Schweineherde hineinzufahren, woraufhin die Herde sich den Abhang hinabstürzt und ertrinkt. Ein tierunfreundlicher Text, könnte man sagen. Aber man kann es auch anders sehen. Dass es so schlecht um die Erde bestellt ist, hat auch mit unserer Besessenheit zu tun. Wir sind besessen von Wirtschaftswachstum und Konsumdenken. Das sind Dämonen, die man nicht so leicht loswird. Man kann auch sagen, dass die Schweine die Besessenheit auf sich nehmen. Wie Jesus, der die Sündenlast der Welt auf sich nimmt und sie wegträgt. So kann man jeden Bibeltext auf verschiedene Weise interpretieren.»

«Wir sind es gewohnt, von einem anthropozentrischen Standpunkt aus zu lesen und uns mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu befassen, während Gott und die gesamte nichtmenschliche Welt schnell hinter dem Horizont verschwinden. Gott wird auf einen Gott von und zwischen den Menschen reduziert. Das sieht man zum Beispiel auch in den Liedern von Huub Oosterhuis, beliebten Liedern, aber doch am meisten völlig anthropozentrisch. Oder Gott wird auf meine eigenen tiefsten Seelenregungen bezogen. Wenn wir in unserer Liturgie und Verkündigung versuchen, sowohl Gott als auch der gesamten Schöpfung gerecht zu werden… Ich glaube, wir sind schon auf einem anderen Weg.»

Eine neue Perspektive, die die ganze Schöpfung zu berücksichtigen weiß: dies würde Bibelgerecht sein, aber auch neue Herausforderungen mit sich bringen. Kennen wir die Ewige durch das Werk Ihrer Hände? Wer sind wir, dass Gott an uns denkt? Van Montfoort fordert uns auf, über Fragen nachzudenken, die uns zurück zu den Anfängen der christlichen Theologie führen. Für eine Kirche wie die Christkatholische, die sich gerne an den fundamentalen theologischen Fragen des frühen Christentums orientiert, ist dies eine Herausforderung, die wir nicht verpassen sollten.

Ari Troost
Dr. theol. Universität Utrecht 1988.
Wissenschaftlicher Assistent der
­Katholischen Universität Nimwegen


Trees van Montfoort
Grüne Theologie
Eine öko-feministische und
ökumenische Perspektive

Grüne Theologie ist eine eindringliche und tiefge-
hende christlich-theologische Neubetrachtung der
Beziehung zwischen Gott, Schöpfung, Natur und
Menschen.

Einband: 480 Seiten
ISBN-10: 3786733139
Verlag: Matthias-Grünewald-Verlag