Neujahrswünsche der Synodalratspräsidentin

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Liebe Christkatholikinnen und
liebe Christkatholiken

Was verstehen wir unter dem Slogan «unterwegs», oder auch «150 Jahre Christkatholische Kirche der Schweiz»? Ist nicht so lange her, werden Sie denken. Aber wenn wir von einer Generation ausgehen, statistisch gesehen 30 Jahre, so ergeben 150 Jahre ziemlich genau 5 Generationen. Auch nicht viel, werden Sie denken. Überlegen wir uns aber, wie unsere Ahnen, also unsere Ur-Ur-Ur-Grosseltern im Jahre 1872 lebten, dachten, handelten, so fällt auf, dass Erinnerungen an diese Zeit lediglich auf Aufzeichnungen beruhen. Daraus folgert, dass 150 Jahre halt doch eine «recht lange» Zeit sein können.

Und gleichwohl berührt uns die Erkenntnis, dass unsere Ahnen sehr wohl im Stande waren, sich von (unerwünschten) Strömungen in der (katholischen) Kirche nicht beeinflussen zu lassen. Sie waren konsequent gegen das Dogma der Unfehlbarkeit. Sie wünschten sich vielmehr eine den Menschen zugewandte Kirche. Beobachten wir die Entwicklung in den Kirchen und in den verschiedensten Glaubensrichtungen, sowohl in Europa als auch in Übersee, so erschrecken uns oftmals ein unnachgiebiges (inquisitorisches) Verhalten oder eben Dogmen (im Sinne von: Lehrmeinungen). Betrachten wir zudem die zahlreichen, regelmässig wiederkehrenden, erschreckenden Vorkommnisse in Kirchen und anderen Glaubensrichtungen gegen Kinder, Frauen und Männer, so waren unsere Ahnen vor 150 Jahren der Zeit weit voraus. Das haben auch Gespräche mit Besuchern der Wanderausstellung gezeigt; immer wieder war das Dogma der Unfehlbarkeit Gesprächsthema, oftmals mit Vehemenz vorgetragen.

Bedauerlicherweise hielt sich die Zahl der Besucher der Wanderausstellung in Grenzen, obwohl die Ausstellung – die erste im Fricktal – kommunikationsmässig aufwendig angekündigt wurde. Zeitgleich wurden in sämtliche Haushalte der Kirchgemeinde adressierte Einladungen und Informationsbroschüren versandt und in zwei verschiedenen Lokalzeitungen, durch eine Journalistin verfasste, ganzseitige Reportagen publiziert. Und trotzdem blieben Beachtlichkeit und Besucherzahl bescheiden. Vielleicht wäre für zukünftige Ausstellungsorte eine aktive Informationskampagne erfolgversprechender; möglicherweise könnten wir die Gemeindemitglieder, oder zumindest Teile davon, persönlich anrufen und einladen. Gute Bekannte, der Kirchgemeinde verbundene Menschen, Eltern von schulpflichtigen Kindern (Religionsunterricht) können wir am Telefon, noch besser an einer persönlichen Begegnung, über den Inhalt der Ausstellung informieren. Als Grundlage für das Gespräch helfen die Informationen zum 150 Jahr-Jubiläum der Christkatholischen Kirche in der Schweiz, die persönliche Einladung, unterstützt mit dem Hinweis auf einen angebotenen Apéro. Anschliessende Gespräch folgen dann wie von selbst.

Die Kirche ist als Gemeinschaft unterwegs. «Unterwegs» bedeutet für unsere Christkatholische Gemeinschaft Bewegung, direkt und ganz im Rahmen unserer Lehre. Und deshalb wird die Wanderausstellung «unterwegs» auch als eine Art Aufbruch zu neuen Ufern, zu Reformen, verstanden. (Die Reformierte Kirche im Kanton Aargau unterstreicht ihre derzeitige Reform mit dem abgeänderten Ausspruch «Wie im Himmel, so im Aargau». Ganz so weit möchten wir nicht gehen, obwohl im «Vaterunser» die vorangestellte Bitte «Dein Wille geschehe» genau diese Aussage verdeutlicht.)

An dieser Stelle wären wohl ein paar Informationen aus dem Kanton Aargau angebracht. Vor 50 Jahren gehörten rund 90 % der Bevölkerung einer der drei Landeskirchen an. Heute, also knapp zwei Generationen später, beträgt der Anteil weniger als 50 %. In Zahlen: Von den im März 2022 gemeldeten 703’000 Einwohnern im Kanton Aargau gehören vielleicht noch 350’000 einer der drei Landeskirchen an. Diese Zahlen sind unumstösslich. Auch, und gerade deshalb, müssen wir unsere Strukturen anhaltend, fortwährend erneuern und, vor allem, den rasanten gesellschaftlichen Veränderungen anpassen. Dieser Auftrag war eines der zahlreichen Themen an der diesjährigen Klausur in Lugano. Wir wollen unseren Mitgliedern – Ihnen – entgegenkommen. Wir wollen Sie motivieren und einladen, an Veranstaltungen teilzunehmen, mitzumachen, aber ohne vereinnahmt zu werden. Wir wollen Sie ermuntern, Ihre Meinung einzubringen. Und vielleicht möchten Sie Ihre beruflichen und gesellschaftlichen Erfahrungen eines Tages nutzen und ein Amt in einer unserer Kirchgemeinden oder in unserem Bistum übernehmen?

Wir sind uns der Problematik in der Kommunikation, dem Austausch innerhalb unserer Kirche durchaus bewusst. Und darum wollen, müssen wir, einander zuhören. Andere Meinungen sind stets erwünscht, denn oftmals führen aussergewöhnliche Ideen zu aussergewöhnlichen (guten) Lösungen. Bedauerlicherweise werden aber auch Vorschläge eingebracht, verbunden mit Kritik der persönlichen Art, mit Nachdruck. Das ist jammerschade, denn unbegründete Anschuldigungen werden als persönliche Kritik verstanden, von uns allen. Es entsteht der Eindruck einer Art «parlamentarischer Auseinandersetzung», es wird «auf den Mann oder auf die Frau gespielt», selten zielführend, aber meist verletzend. Es wäre deshalb schön, der gemeinsamen Sache dienlich, wenn ausschliesslich Fakten vorgebracht würden. Das Durchsetzen der eigenen, persönlichen Meinung bewirkt Unmut und Frustration und absorbiert sehr viel Arbeitszeit. Und diese toxische Kombination (bitte entschuldigen Sie die Formulierung) führt schlussendlich auch zu Kirchenaustritten. Ein effizienter Weg, um unsere Gemeinschaft zusammen zu halten wäre, wenn wir unsere Kräfte in erster Linie gegenüber den Menschen nutzen und einsetzen und uns viel weniger mit unseren eigenen «Problemen» befassen würden.

Darum sind für uns die Basis einer guten Kommunikation Vertrauen und Offenheit, und vor allem der intensive persönliche Kontakt. Ernst Reinhardt (*1932), Dr. phil., Schweizer Publizist, Verleger und Aphoristiker lehrt uns:

Die Kommunikation ist viel wert. Aber nicht alles ist wert, kommuniziert zu werden.

Und diese weisen Worte wollen wir gerne ins kommende Jahr mitnehmen. Ich wünsche Ihnen allen von Herzen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gesundes, zuversichtliches neues Jahr.

Manuela Petraglio
Präsidentin des Synodalrates