Wie kann der Heilige Geist interreligiös gedacht werden?

Was uns an Pfingsten verbindet

Rom, Vatikan, Basilika St. Peter, Die Taube des Heiligen Geistes (Cathedra Petri, Bernini). Foto: Dnalor_01 auf wikimedia commons, CC BY-SA 3.0.

Christinnen und Christen im Westen feiern in diesem Jahr am 5. Juni Pfingsten, die Aussendung des Heiligen Geistes. Das Wort «Pfingsten» kommt vom griechischen pentekoste und bedeutet fünfzigster Tag. Mit diesem Fest endet die Osterzeit am 50. Tag nach der Auferstehung Jesu. Wenn wir über interreligiöse Zugänge zum Heiligen Geist nachdenken wollen, müssen wir uns zuerst in Erinnerung rufen, was der Heilige Geist für uns bedeutet.

Wir erfahren in der Apostelgeschichte im Neuen Testament vom Pfingstereignis. Die Urgemeinde in Jerusalem versammelt sich nach Christi Himmelfahrt: «Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen liess sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.» (Apg 2:2-4).

Im Christkatholizismus und Altkatholizismus wird der Heilige Geist vor allem als dritte Person der Trinität verstanden und verehrt. Im Gottesdienst bekennen wir uns im Credo nicht nur zu Gott dem Vater und dem Sohn, sondern auch zum Heiligen Geist «… der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater ausgeht, der zusammen mit dem Vater und dem Sohne angebetet und verherrlicht wird und geredet hat durch die Propheten…» (CG, 107); im Eucharistiegebet beten wir bei der Epiklese um die Sendung des Heiligen Geistes «… den Spender allen Lebens und aller Heiligung, dass er die Gaben segne, heilige und weihe…» (CG, 111) und wir singen bspw. im Lied «Veni Sancte Spiritus» «Komm, Heiliger Geist, entzünde das Feuer deiner Liebe» (CG, 692). Das sind nur drei von zahlreichen Beispielen.

Die Trinitätslehre, also die Lehre von der Einheit Gottes, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, gehört zu den Grundprinzipien der Alten Kirche und des christlichen Glaubens.

Die Art und Weise, wie die sogenannten drei «Personen» zusammengehören, hat in der Theologiegeschichte viel zu diskutieren gegeben. «Person» bedeutet in der Trinitätstheologie immer «Person in Beziehung». Das heisst, eine Person existiert nur in Beziehung zu anderen Personen, anderenfalls wäre sie ein Individuum. Menschen sind Personen und Individuen. Innerhalb der Trinität aber gibt es keine Individuen. Herwig Aldenhoven beschreibt das Innertrinitarische Verhältnis so: «Es sind drei, die in personaler Beziehung zu einander stehen, die sich in dieser Beziehung gegenseitig voll und ganz durchdringen und ganz eins sind miteinander.».(1) Wären Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist voneinander unabhängige Individuen, müssten wir von einem Dreigötterglaube sprechen. Die innertrinitarische Beziehung kann auch als Inspiration für die Ortskirchenekklesiologie, wie wir Christkatholik:innen sie verstehen, dienen. Aldenhoven spricht hier von Trinitarischen Analogien und Ortskirchenekklesiologie. Er beschreibt, wie die Einheit und Verschiedenheit der drei Personen innerhalb der Trinität ein Abbild sind für das Verhältnis der Einheit und Verschiedenheit der Ortskirchen. Jede Ortskirche – wie die Christkatholische Kirche der Schweiz eine ist – ist voll und ganz Kirche, jedoch nur, wenn sie in Gemeinschaft mit anderen Ortskirchen steht. «Es gehört zum Wesen von Ortskirchen, dass sie zu einander sprechen und auf einander hören.»(2) Es geht also darum, in Beziehung zu sein.
Nachdem wir gesehen haben, was an Pfingsten gefeiert wird und welche Bedeutung der Heilige Geist für uns und unsere Kirche hat, können wir in einem zweiten Schritt fragen, ob wir über ein Grundprinzip des christlichen Glaubens auch aus interreligiöser Perspektive nachdenken können.

Ich möchte hier zwei mögliche Zugänge ansprechen. Zuerst will ich das Wirken des Heiligen Geistes in anderen Religionen betrachten und danach schauen, ob auch andere Religionen den Heiligen Geist kennen und wie sich dieser zeigt.

Trimurti, ein hinduistisches Konzept von Dreifaltigkeit in Form der Gottheiten Brahma, Vishnu und Shiva. Bild: fenetresurlinde auf flickr, CC BY-SA 2.0.

Das Wirken des Heiligen Geistes in den anderen Religionen

Der theologische Zugang, der nach dem Wirken des Heiligen Geistes in den anderen Religionen fragt, wird Theologie der Religionen genannt. Das ist der Bereich der Theologie, der untersucht, was die Tatsache, dass es andere Religionen gibt, für das Christentum bedeutet und wie wir damit umgehen sollen. Dabei stand und steht die Frage im Mittelpunkt, ob sich der Dreieine Gott auch in anderen Religionen offenbart. Diese Frage ist zwar nicht neu, wurde aber im Zusammenhang mit dem interreligiösen Dialog im modernen Sinne, immer wichtiger. In den letzten 50 Jahren wurden Modelle entwickelt, die drei Strömungen unterscheiden. Innerhalb des Exklusivismus wird davon ausgegangen, dass sich Gott nur innerhalb des Christentums bzw. innerhalb der Kirche offenbart. Der Inklusivismus hingegen sagt, dass sich Gott bis zu einem gewissen Mass auch in anderen Religionen offenbart und im Pluralismus wird davon ausgegangen, Gott könne sich vollumfänglich in anderen Religionen offenbaren.

Im Anschluss an dieses Modell hat eine Gruppe innerhalb des Weltkirchenrats, bestehend aus orthodoxen, protestantischen und römisch-katholischen Theolog:innen, Ende der 1980er Jahre intensiv über den Heiligen Geist und den religiösen Pluralismus nachgedacht und 1990 das Baar-Statement: Theological Perspectives on Plurality veröffentlicht. Sie sind dabei zu der Erkenntnis gelangt, dass der Heilige Geist in für uns unvorhersehbarer Weise wirkt und weht wo er will. Doch können wir sein Wirken erkennen. Der Heilige Geist zeigt sich nach Galater 5:22-23 «in Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit». Die ökumenische Gruppe folgert daraus, überall wo Liebe, Freude, Friede, etc. ist, da weht und wirkt auch der Heilige Geist, also auch im Leben und der Tradition andere Religionen.

Die Suche nach dem Heiligen Geist in den anderen Religionen

Bei diesem Zugang wird gefragt, ob andere Religionen den Heiligen Geist auch kennen und verehren oder ob es in anderen Religionen etwas gibt, mit dem der Heilige Geist verglichen werden könnte. Dieser Zugang wird Komparative Theologie genannt. Der für Christ:innen naheliegendste Vergleich findet sich wohl im Judentum und der Hebräischen Bibel. Dort ist die Rede von „Rûah“. Der hebräische Begriff wird mit Wind, Atem, Geist, Energie oder Lebenskraft übersetzt.

Der Heiligen Geist kommt auch im Islam vor und wird mehrfach im Koran genannt. Der arabische Begriff dafür lautet „Rūh al-Qudus“. Er vermittelt die Handlungen Gottes und wird normalerweise mit dem Erzengel Gabriel (arab. Djibril) gleichgesetzt.

Auch wenn der Heilige Geist in beiden Religionen, die u.a. durch ihre Heiligen Schriften eng mit dem Christentum verbunden sind, vorkommt, verstehen sie ihn nicht trinitarisch. Es lohnt sich daher auch über die Trinität aus interreligiöser Perspektive nachzudenken. Die Lehre des Heiligen Geistes (Pneumatologie) kann uns beim Nachdenken über religiöse Vielfalt helfen. Religiöse Vielfalt wird im interreligiösen Dialog zwar oft positiv bewertet aber gleichzeitig in ein übergeordnetes Ganzes integriert, im Sinne von: «viele Wege führen zu dem einen, gleichen Ziel». Damit wird die Wertschätzung der Vielfalt aufgelöst. Die Komparative Theologie geht einen anderen Weg. Sie will die Vielfalt als solche wertschätzen und sie nicht durch Integration aufheben. Religiöse Traditionen und Strömungen sind dynamisch, beeinflussen und prägen einander. Die vielen Wege führen zu unterschiedlichen Zielen aber manchmal kreuzen sie sich. Religionen sind nicht streng voneinander unabhängige Systeme, die nichts miteinander zu tun haben, sondern Differenz in Beziehung. Dieser Begriff stammt von der amerikanischen Theologin Holly Hillgarden. Sie ist der Ansicht, einige Aspekte des Heiligen Geistes würden diese Differenz in Beziehung unterstützen und sagt, das Symbol des Heiligen Geistes könne uns beim Nachdenken über die dynamische Beziehung zwischen der Vielfalt und dem Einen helfen. Wir könnten den Heiligen Geist als einen von vielen innerhalb der Trinität verstehen, während gleichzeitig die Trinität eine von vielen möglichen göttlichen Manifestationen sei. Durch das kreative Wirken des Heiligen Geistes, könne sich die Vielfalt des Göttlichen offenbaren.(3) Das bedeutet, dass die Begegnung mit der anderen Religion und deren Angehörigen nur dann gelingt, wenn wir sie in ihrem anders sein wertschätzen lernen.

Miriam Schneider

1 Herwig Aldenhoven. Trinitarische Analogien und Ortskirchenekklesiologie, in ebd. Lex Orandi – Lex Credendi. Beiträge zur liturgischen und systematischen Theologie in altkatholischer Tradition. (Herausgegeben Urs von Arx). Münster 2021, 321.
2 Ebd. 324.
3 Vgl. Holly Hillgardner. Spirited Transformations: Pneumatology as a Resource for Comparative Theology, in: Chris Boesel/S. Wesley Ariarajah (Hg.). Divine Multiplicity. Trinities, Diversities, and the Nature of Relation. New York 2014, 137-152.