Predigt: Ökumenischer Gottesdienst vom 05.03.2023

Ökumenischer Gottesdienst Olten, Pauluskirche, 5.3.2023

Ansprache zum Thema Gerechtigkeit (rekonstruiert)

Biblische Grundlage: Matthäus 20,1-16 / Das Gleichnis vom Weinberg

Wenn wir von Gerechtigkeit sprechen fällt oft das Wort der Gleichheit. Gerecht finden es viele Menschen, wenn alle das Gleiche bekommen. Gehen wir an einen Kindergeburtstag wird das stimmen. Wehe der Wasserspiegel in den Sirupgläsern ist nicht exakt gleich hoch. Die Kinder werden auf jeden Fall protestieren, weil Gerechtigkeit für sie heisst, dass Alle das Gleiche und eben gleich viel erhalten.

Doch so stimmt das ja nicht immer. Nehmen wir mal an ich gehe mit einer halben Tonne Bananen in den Zoo. Im Affenhaus werde ich damit genau richtig liegen, doch bei den Pinguinen, den Löwen oder den Stabheuschrecken werde ich damit nicht erfolgreich sein. Um diesen Tieren gerecht zu werden, muss ich eben auch Fisch, Fleisch oder Insekten als Nahrung mitbringen. Hier zeigt sich eine andere Art von Gerechtigkeit, die auch bei den Menschen wichtig sein kann. Es geht darum, Allen gerecht zu werden, indem er/sie das bekommt, was er/sie benötigt.

An dieser Stelle muss ich auch auf unser modernes Rechtswesen verweisen, wo die Übeltäter nicht alle die gleiche Strafe für das gleiche Vergehen bekommen, weil ihre jeweilige Lebenssituation oder die mehrfach wiederholte Tat bei der Bemessung vom Richter miteinbezogen werden. Die Justiz will beim Strafmass auch Ermessensspielraum, damit die Bestrafung nicht bloss erbarmungslos ist, sondern zu einem besseren Verhalten anspornt.

Aber auch diese Form von Gerechtigkeit ist nicht gemeint in der Geschichte von den Arbeitern im Weinberg. Es geht um die damals verbreitete Form von Arbeit als Tagelöhner. Der Herr des Weinbergs stellt solange Arbeiter an, bis alle willigen Arbeiter gearbeitet haben. Das Besondere ist nun, dass die einen vom morgen früh an etwa zwölf Stunden gearbeitet haben, andere aber nur halb so viel oder zuletzt nur eine Stunde. Dass nun alle den Tageslohn von einem Denar erhalten macht die erste Gruppe wütend. Sie haben geschuftet und erhalten trotzdem den gleichen Lohn wie die letzte Gruppe.

Da sehen wir, dass Jesus ganz offensichtlich nicht in betriebswirtschaftlichen Kategorien gedacht hat. So könnte ein Unternehmen ja nicht florieren. Darum

suchen wir besser nach einer anderen Bedeutungsebene, nach einer theologischen Erklärung.

Jesus erzählt die Geschichte ganz offensichtlich so, dass mit dem Herrn des Weinbergs Gott gemeint ist. Was sind dann die Arbeiter für Akteure? Es sind die Menschen, genauer die Gläubigen, die mithelfen, die Welt zu gestalten. Der Lohn, den sie erhalten, ist eben nicht Geld, nicht ein materieller Wert, sondern etwas anderes. Wir könnten verschiedene Dinge nennen: der Lohn könnte die Zuwendung und Liebe Gottes sein, es könnte der Friede sein, es könnte die Gemeinschaft der Menschen sein. Aber mir scheint dass Jesus etwas anderes im Auge hat. Seine Verkündigung richtete sich ja sehr auf das, was er ‘Reich Gottes’ nannte, was auch Himmelreich oder Ewiges Leben genannt wird.

Dafür spricht auch der Höhepunkt der Geschichte. Da ist konkret gesagt, dass es keinen Neid braucht, wenn alle Arbeiter die Güte des Dienstherrn zu spüren bekommen. Denn was sie erhalten, ist unteilbar. Vom Gottesreich kann man nicht einen Zwölftel, eine Hälfte oder drei Viertel erhalten. Man erhält es ganz oder gar nicht. Gerechtigkeit in diesem Sinne ist es, wenn die Menschen zu Gott halten und von ihm gehalten werden, wenn sie seine Güte vollumfänglich zu spüren bekommen.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich daran, dass in der jüdischen Religion und Kultur der Begriff der «Gerechten vor Gott» existiert. Diese Auszeichnung erhalten Menschen, die sich im Dienste der Mitmenschen hervorgetan haben, zum Beispiel mit Barmherzigkeit oder Mut, bei der Rettung von Leben. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Holocaust wurden eine Reihe von Menschen als «Gerechte vor Gott» bezeichnet.

So wünsche ich mir, dass wir bei unseren Handlungen immer wieder fragen, ob es gerecht vor Gott sein kann, damit wir Arbeiter im Weinberg sind, die Gottes Gerechtigkeit fördern und leben.

Pfr. Daniel Konrad