Ende Jahr geht im Kanton Bern eine Ära zu Ende. Nach 215 Jahren gibt der Kanton die Verantwortung für die Anstellung der reformierten Pfarrerinnen und Pfarrer wieder in die Hand der Landeskirchen. Für rund 600 Geistliche, auch römisch-katholische und christkatholische, werden künftig die Landeskirchen statt der Kanton Arbeitgeberinnen. Dieser historische Moment wurde am Montag 16. Dezember 2019 mit einer Feier im Berner Münster begangen, zu der Regierungsrätin Evi Allemann eingeladen hatte. Die Kirchendirektorin betonte in der Eröffnungsrede, dass die Übergabe der Dienstverhältnisse der Geistlichen an die Landeskirchen den Anfang einer neuen Partnerschaft markiere. Grundlage für die behutsame Entflechtung für Staat und Kirche bildet das neue Landeskirchengesetz, das per 1.1.2020 in Kraft tritt.
Beitrag an Gehälter und Leistungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse
Mit der Übertragung der Dienstverhältnisse der Geistlichen erhielten die Kirchen mehr Freiheit, wie mehrfach betont wurde. Sie können nun ihre Stellen selber ausgestalten und den Kirchgemeinden zuordnen. Die finanziellen Mittel dafür kommen bis 2025 im bisherigen Umfang vom Kanton. Die evangelisch-reformierte Kirche erhält dafür jährlich 60 Millionen Franken, die römisch-katholische 12 Millionen Franken und die christkatholische Kirche 470’000 Franken. Auch das Gehalt des jüdischen Rabbis bezahlt weiterhin der Kanton. Ab 2026 richtet er den Kirchen einen Sockelbeitrag zur Wahrung der historischen Rechtstitel im Zusammenhang mit der Übernahme der Kirchengüter aus und unterstützt die Kirchen mit einem Beitrag für ihre Leistungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse.
Religionsgemeinschaften, Kirche und Staat – eine Partnerschaft in Entwicklung
Vor fast 500 Jahren, im Jahr 1528, beschloss der Rat der Stadt Bern im Zuge der Reformation, anstelle des Papstes die Verantwortung für die Kirche zu übernehmen. Bis zum Ende des Ancien Régime 1798 war die evangelisch –reformierte Kirche als Staatskirche ganz ins bernische Staatswesen integriert. Erst mit der Kantonsverfassung von 1893 wurden die römisch-katholische und die christkatholische Kirche als gleichberechtigte Landeskirchen anerkannt. 1996, mehr als ein Jahrhundert später, folgte die Anerkennung der jüdischen Gemeinden von Bern und Biel.
Heute sind viele weitere Religionsgemeinschaften im Kanton Bern präsent und leisten wertvolle Dienste im Interesse der Gesellschaft. «Wenn wir sie ernst nehmen wollen, dann müssen wir auch das Verhältnis zu ihnen klären» betonte Kirchendirektorin Evi Allemann. Einer der nächsten Schritte ist deshalb, ein religionspolitisches Monitoring aufzubauen, um einen möglichst umfassenden Überblick über die Religionslandschaft im Kanton Bern zu erstellen.
Feierliches Rahmenprogramm
In Gesprächsrunden diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Landeskirchen und Pfarrschaft die Bedeutung des bevorstehenden Wandels des Verhältnisses von Kirche und Staat. Mit der symbolischen Übergabe von handgedrechselten Emmentaler Holzkugeln bedankte sich Regierungsrätin Evi Allemann bei den Landeskirchen und der jüdischen Gemeinschaft für die Übernahme der Verantwortung und die gute Zusammenarbeit. Den Geistlichen dankte die Kirchendirektorin für ihren Einsatz für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die TV- und Radio-Journalistin Sonja Hasler führte durch den Anlass. Das Oktett der Posaunenklasse von Ian Bousfield an der Hochschule der Künste Bern, dirigiert von Kelton Koch, und der Münster-Organist Daniel Glaus sorgten für die musikalische Umrahmung. Anschliessend waren alle zu einem Empfang ins Rathauseingeladen, bei dem es noch viel zu reden, aber nur wenig zu essen gab. Da hätten die Kirchen grosszügiger angerichtet.