Beam me up! – Himmelfahrt in der Science Fiction

Auffahrt im Zeitgeist der Moderne

Kann man Bilder aus der Science Fiction nutzen, um die Himmelfahrt Jesu jemandem näher zu bringen? Eine spannende Frage, die man mir da gestellt hat. Und in meiner Doppelrolle als Theologe und Schriftsteller für Science Fiction, versuche ich gerne, mich einer Antwort anzunähern.

Bild: Stefan Keller auf pixabay

Himmelfahrten gibt es nicht erst seit Jesus von Nazareth. In der Antike wiederholt sich die Vorstellung, dass jemand von der Erde in den Himmel entrückt wird. Die alten Ägypter kennen Himmelfahrten ebenso wie die Römer und die Griechen und alle Kulturen im Nahen Osten der Antike. Im Alten Testament sind es Henoch und Elija, denen eine Himmelfahrt widerfährt. Man könnte also sagen, Jesus stellt sich in eine gute alte Tradition, wenn die Jünger beobachten, wie Jesus „zum Himmel emporgehoben“ wird, wie es im Lukasevangelium steht.

In allen Kulturen, in denen der Himmel über uns gleichzeitig eine Art Regierungssitz der Götter ist, ergibt des Bild vom Aufsteigen ja auch sehr viel Sinn. Wer quasi mit dem Fahrstuhl nach oben in den Himmel fährt, der ist bei Gott oder bei den Göttern und mit ihnen verbunden an einem Ort, auf den gewöhnliche Menschen keinen Zugriff haben. Von dort können sie dann – ähnlich wie die Götter – die Schicksale auf der Erde mitbestimmen.

Jetzt ist das Bild von der Himmelfahrt etwas schwierig geworden, seit allgemein anerkannt ist, dass der göttliche Himmel nicht einfach eine Art Palast irgendwo über den Wolken ist. Vielleicht ist aber gerade das auch der Wert von wissenschaftlichem Fortschritt und schliesslich auch von Science Fiction: Wir müssen uns nicht mehr an den Mythos klammern, dass dort jemand mit dem Fahrstuhl ein paar Stockwerke hinauf steigt.

Selbstverständlich hat auch die Theologie irgendwann eingelenkt und interpretiert die Himmelfahrt heute nicht mehr als Fahrt mit dem göttlichen Fahrstuhl. Aber wäre uns diese Erkenntnis auch gekommen, wenn wir immer noch davon ausgehen würden, dass alles Göttliche direkt über unseren Köpfen wohnt? Ich tendiere dazu, es doch eher dem menschlichen Streben nach Fortschritt und wissenschaftlicher Erkenntnis zuzuschreiben, dass wir heutzutage nicht mehr an eine Fahrstuhl-Himmelfahrt glauben. Oder um es eindrücklicher zu sagen: Seit wir von der Fahrt zu den Sternen träumen, brauchen wir ein anderes Bild für die Himmelfahrt.

Doch vielleicht ist gerade dadurch, dass man die Fahrstuhl-Himmelfahrt nicht mehr als möglich betrachtet, die Tür aufgestossen worden zu vielen anderen Bildern von Himmelfahrt. Science Fiction ist ein Teil der Popkultur, die unser Leben in vielen Facetten begleitet. Gerade in Form von Filmen und Fernsehserien erreichen diese Stoffe ein weltweites riesiges Publikum. Die Fandoms von Star Trek und Star Wars sind legendär gross und viele Millionen bezeichnen sich selbst als Fans dieser Universen. Hinzu kommen weitere Geschichten und Zyklen, die sich anhaltender oder wachsender Beliebtheit erfreuen. Star Gate, Dune, The Expanse oder Foundation sind im filmischen Bereich nur einige Beispiele.

Beheimatet ist die Science Fiction aber ursprünglich in der Literatur des 19. Jahrhunderts. So sind Autoren wie Jules Verne oder H. G. Wells auch der Allgemeinheit ein Begriff und werden teils heute noch im Schulunterricht gelesen. Während die Science-Fiction-Literatur in der Mitte des 20. Jahrhundert noch einmal Hochkonjunktur besass und Schriftsteller von Weltruhm hervorbrachte (u.a. Frank Herbert, Stanislaw Lem oder Ursula le Guin), wurde sie anschliessend aber mehr und mehr zu einem Genre, das bloss eine Nische zu bedienen scheint und in der breiten Öffentlichkeit wenig diskutiert wird. Blickt man auf die grossen Verkaufszahlen, wäre es jedoch ein Trugschluss, die Science-Fiction-Literatur als Randerscheinung abzuschreiben.

Bild: 0fjd125gk87 auf pixabay

Für die Deutung der (christlichen) Himmelfahrt kann sich die Science Fiction tatsächlich als Segen erweisen. Denn sie setzt auf einen ganzen Strauss von Bildern, die sich als Himmelfahrten interpretieren lassen und von diesen inspiriert sind – und vielleicht hier und dort sogar ganz explizit in der Tradition des Jesus Christus. Die Himmelfahrt, wie sie die Kirchen feiern, kann durch solche Bilder zugänglich werden für Menschen, denen die jahrtausendealten Schilderungen nicht mehr viel sagen.

Als Voraussetzung für eine Himmelfahrt kann man annehmen, dass es eine höhere Wirklichkeit hinter unserer Wirklichkeit gibt. Diese höhere (göttliche?) Wirklichkeit ist die meiste Zeit über nicht durch unsere alltäglichen Sinne wahrzunehmen. Aber es scheint immer jene zu geben, die trotzdem mit dieser höheren Wirklichkeit in Verbindung stehen. In der Bibel und im christlichen Glauben ist das natürlich ganz prominent Jesus von Nazareth, der mit dem Göttlichen auf eine Art verbunden scheint, nach der sich viele sehnen.

Dieses Motiv kennen viele populäre Science-Fiction-Geschichten. So haben gerade Figuren, die als sehr spirituell gelten, oft Zugriff auf Fähigkeiten, die magisch oder gar göttlich erscheinen. Die Jedi-Ritter aus Star Wars können in der Meditation auf die sogenannte Macht hören und sie dafür in Anspruch nehmen, die Welt um sie herum zu verändern. In der Computerspiel-Reihe Mass Effect können Biotiker für ähnliche Effekte die Dunkle Materie beeinflussen, die ja ganz real von Wissenschaftlern weltweit angenommen wird, um physikalische Gesetzmäßigkeiten zu erklären – quasi als ein großer Teil unserer Realität, der sich vor unseren Augen und unseren Messinstrumenten verbirgt. Die Bene Gesserit im Romanzyklus Dune nutzen neben ihrer Spiritualität die Substanz Spice, um andere Figuren geistig zu beeinflussen und Gedanken und Erinnerungen zu übertragen – so wie ohnehin die gesamte menschliche Raumfahrt in diesen Geschichten nur durch grosse mentale Leistungen möglich wird, nicht durch Computertechnik.

In vielen Geschichten ist dies wie beim christlichen Erlöser jedoch nur die untere Ebene des Zusammenwirkens mit der höheren Wirklichkeit. Beispielsweise können sowohl Jesus von Nazareth als auch die Jedi-Ritter durch ihre spirituellen Kräfte auf wundersame Weise heilen. Allerdings ist das nicht das Ziel ihres Lebens und ihrer spirituellen Reise. So gehen jene Jedi, die mit sich selbst und ihrem geistlichen Weg vollkommen im Reinen sind, später in der Macht auf. Sie können dann quasi aus dem Jenseits heraus noch mit den Figuren kommunizieren, die im Diesseits handeln – der aufgefahrene Jesus lässt grüssen, der ja nach theologischem Verständnis in unsere Wirklichkeit hineinwirkt und beispielsweise in den Sakramenten gegenwärtig ist. Ähnlich funktioniert das Konzept des Aufstiegs in Star Gate, in der ganze vorherige Zivilisationen im Zuge einer spirituellen Transformation in eine übergeordnete Wirklichkeit aufgestiegen sind. Spannend in Star Gate ist jedoch, dass sich diese Aufgestiegenen nicht zwangsläufig um Redlichkeit oder das Herstellen von Gleichgewicht bemühen, sondern es unter ihnen auch egoistische Kräfte gibt, die sich als Götter verehren lassen – was sich auch als Kommentar auf traditionelle Himmelfahrten lesen lassen kann und die Frage danach stellt, ob göttliche Kräfte zwangsläufig gut sein müssen. Ein berühmtes Beispiel aus dem Universum von Star Trek findet sich in der Serie Deep Space Nine: Einer der zentralen Konflikte dreht sich um das sehr religiöse Volk der Bajoraner, deren Seelen am Ende des Lebens ebenfalls in eine höhere Wirklichkeit wechseln, sofern ihr spiritueller Einklang dies zulässt – und auch hier gibt es den Kontakt dieser Seelen zurück in die Welt der Lebenden.

Ob es nun um die Verbindung mit einer höheren Wirklichkeit geht oder um das vollständige Hinüberwechseln in diese Wirklichkeit: An einem Punkt muss in all jenen Science-Fiction-Erzählungen jeweils ein gewisses, tiefgreifendes seelisches Gleichgewicht hergestellt worden sein. Auch das lässt sich christlich lesen, wenn man Jesus als jenen versteht, der sich auf Gott mehr und tiefer eingelassen hat, als alle vor ihm.

Mit solchen phantastischen Erzählungen lassen sich moderne Zugänge zu alten Überlieferungen schaffen: In der Himmelfahrt Christi feiern wir jene Verbindung, die Jesus mit Gott gepflegt hat – und seine Aufnahme in die göttliche Wirklichkeit. Geschichten aus der Science Fiction können uns helfen, Bilder für diese Vorgänge zu finden, die wir heute verstehen können. Bilder, die uns vielleicht näher sind als die biblischen. Wir können Christus als einen sehen, der uns vorangegangen ist in eine andere Wirklichkeit. Dort geht er auf in dem, was höher ist als wir selbst (und was uns mit allen anderen verbindet). Und aus dieser höheren Wirklichkeit reicht er hin und wieder zu uns herüber. Das tut er dann nicht unbedingt mit kinoreifen Special Effects – sondern durch seine Botschaft von menschlichem Miteinander und Füreinander, die wir in unserer Welt umsetzen.

Thilo Corzilius


Zum Autor

Thilo Corzilius (* 1986 in Dortmund) ist ein deutscher Schriftsteller, Texter und Theologe.

Er wurde 1986 in Dortmund geboren, wuchs u. a. in Dortmund, Köln und Lohne (Oldb.) auf. Nach dem Abitur 2005 und einem anschliessenden freiwilligen sozialen Jahr studierte er ab 2006 Evangelische Theologie in Hamburg, Göttingen und Münster und schloss 2012 mit dem Diplom ab. Er wurde 2017 zum altkatholischen Priester geweiht, war anschliessend Vikar in Freiburg im Breisgau und ist seit 2019 Pfarrer in Essen.

In den Jahren 2011 und 2012 erschienen seine Romane Ravinia und Epicordia im Piper Verlag, die in der Kritik überwiegend wohlwollend aufgenommen wurden. Mit Dorn und Diebe der Nacht schrieb er ausserdem High Fantasy sowie mit Foregone Science-Fiction. Neben seiner Tätigkeit als Autor trat Corzilius auch als Musiker sowie als Referent für Jugend- und Erwachsenenbildung in Erscheinung.

Quelle: wikipedia