Das Opfer der Väter

Abraham, nimm doch deinen Sohn und bring ihn als Brandopfer dar. (Vgl. Gen 22,2; kein Zitat!)

Nein, so direkt und wörtlich führte mich Gott noch nie in Versuchung, meinen geliebten und einzigen Sohn «zu schlachten», wie es weiter in der Bibel heisst. Trotzdem habe ich hin und wieder das Gefühl, dass ich meinen Sohn oder meine Kinder gewissen Dingen und nicht zuletzt meinem Gott opfere, denn als Pfarrer arbeite ich oft abends und am Wochenende: Sitzungen, Gottesdienste, Arbeit, Wichtigeres, seelsorgerische Notfälle, Armeeseelsorge.

Ich fühle mich dabei manchmal ziemlich mies. Besonders, wenn ich mir vergegenwärtige, dass sich meine Kinder dagegen nicht wehren können. Letztlich sind sie uns Eltern ausgeliefert, wir bestimmen. Die Kinder können nur mitmachen, so wie Isaak, der seinem Vater Abraham treu bis zum Brandopferaltar, auf dem er selbst geopfert werden sollte, folgte. Lange Gesichter, Enttäuschung, vermisste Nähe. Wie könnte man das je wieder gut machen?

Auf der anderen Seite bin ich ein Mensch mit Bedürfnissen. Ich möchte mich mit Dingen beschäftigen, die mir wichtig sind. Die Kinder sind wichtig, aber nicht das einzig Wichtige. Es gibt auch andere Menschen, mit denen meine Kinder glücklich sind. Gewiss ist die Kinderphase für Eltern im Weiteren nicht die beste Zeit, sich selbst zu verwirklichen. Immer nur nach der Pfeife der Kinder zu tanzen, führte schlussendlich aber auch zu Unsinn.

Wenn also der Engel Gottes Abraham am grausamen Opfer hindert, so mahnt er mich an Folgendes: Abraham soll zum einen seinen Sohn nicht opfern. Übertragen kann das bedeuten, dass Eltern ihre Kinder nicht für vermeintlich Wichtigeres «opfern», sprich zurückstellen sollen. Mehr für die Kinder also. Das Opfer ist zum anderen aber auch nur scheinbar, nicht echt gewollt. Gott will nicht eigentlich das Opfer, sondern die Treue und Ergebenheit Abrahams. Das wiederum kann bedeuten: Liebe Eltern, vergesst das mit dem Opfer, tut auch etwas für Euch, solange ihr Euren Kindern und notabene Eurem Gott die Treue haltet.

Lenz Kirchhofer