Dorothee Wyss – eine moderne Frau

Ausstellung über die Ehefrau von Bruder Klaus in Sachseln

«Bruder Klaus lässt seiner Frau berichten, dem Bruder Ulrich Speise zu bringen.» – Bilderzyklus Moesli-Kapelle; Leihgabe Kirche Kerns.

«Von Niklaus von Flüe kann man nicht sprechen, ohne seine Frau Dorothee zu erwähnen, sie war vor 30 bis 40 Jahren noch ein Nischenprodukt und hatte vor allem in Frauenkreisen eine Bedeutung» so Franz Enderli vom Förderverein Niklaus von Flüe und Dorothee Wyss. Die Schriftstellerin Klara Obermüller hat in den 80er-Jahren das Stück «Dorothee Wyss» geschrieben und ihr damit zum ersten Mal eine Stimme gegeben. Heute ist klar, dass Niklaus und Dorothee zusammen gehören. Es ist fast, als müsste etwas nachgeholt werden, denn das Bruder Klaus Museum widmet Dorothee Wyss von Flüe in diesem Jahr zum ersten Mal eine Ausstellung.

Wer war die Bäuerin, die 50 Jahre auf dem «Schübelacher» im Flüeli lebte? Stumme Frau an der Seite des «Ranftheiligen»? Trug sie Schuld am Auszug von Bruder Klaus? Eine Verrückte? Frau mit Visionen? Lesend, hörend, sehend und zur Mitwirkung einladend lässt die Ausstellung die vielen Facetten der Partnerin des «lebendigen Heiligen» erleben und zu verstehen. Auch für Kinder gibt es überraschend viele und pädagogisch gut durchdachte Möglichkeiten, sich der Persönlichkeit Dorothee Wyss zu nähern.

Auseinandersetzung mit dem Leben

Will man das Leben einer Bäuerin aus dem 15. Jahrhundert darstellen und nimmt man die verfügbaren Quellen zur Hand, lässt sich keine lückenlose Biografie schreiben. Es ist ein Glücksfall, wenn sich das eine oder andere findet. So entdeckten Historiker vor kurzem in einem Jahrzeitbuch des Klosters Engelberg den ältesten urkundlichen Eintrag von Dorothee Wyss. In den Jahren um 1494/95 stifteten Verena von Flüe, Tochter des Ehepaars von Flüe Wyss und ihr Ehemann Hensli Onofrius für «Bruder Klaus und seine Ehefrau Dorothee» eine Jahrzeit – kirchliches Totengedenken. «Dorothee wird ausdrücklich als Ehefrau von Bruder Klaus aufgeführt und diesen Namen trug er nur im Ranft», wie der Bruder-Klaus-Biograph Roland Gröbli sagt.

Aber erst wer entlang der Ausstellungsstücke geht, wird sich das Leben von Dorothee Wyss in seinen Abläufen vorstellen können. Je länger je mehr tritt sie aus dem Schatten ihres Mannes heraus und erhält ihre persönliche Lebenskontur. Dorothee ist nicht nur die engste Vertraute und Beschützerin ihres Mannes, sondern ist auch verantwortlich für den Hof, seine Angestellten und ihre zehn Kinder. Sie ist Managerin eines grossen Unternehmens und erhält eine Bedeutung zurück, ohne die das Leben des Ehepaars und deren Kinder gar nicht verstanden werden kann.

Dorothee trägt das Gesicht der Moderne

Als Frau von Niklaus von Flüe, Familienfrau und Bäuerin lernte sie mit Veränderungen und täglichen Herausforderungen umzugehen, war «Wegbereiterin für Wunderbares», wie Nicole Buchmann eine Rauminstallation nennt. Dorothee musste neue Rollen einüben und neue Werte akzeptieren, womit sich auch zwischen verschiedenen Welten vermittelte. Vielleicht hätte es ohne sie Niklaus von Flüe als «den Engel des Friedens auf Erden», wie ihn der Pfarrer und Schriftsteller Jeremias Gotthelf nannte, gar nicht gegeben. Als der römisch-katholische Papst Johannes Paul II. im Jahr 1984 in Flüeli Ranft war, ahnte er davon, als er im Gebet die «heiligmässige Dorothee» anrief.

Unabhängig von der Nationalität, der Religionszugehörigkeit, dem Beruf, der Herkunft, über alle Grenzen hinweg trägt Dorothee Wyss Flüe für uns das Gesicht eines modernen Menschen. Sie kann ein Vorbild sein, wie es zu schaffen und zu schultern ist, den Entschluss seines Lebenspartners anzunehmen, nicht weg und fort, sondern in sich zu gehen – auf der Suche nach Gott einen eigenen Weg zu wählen. Und gerade so haben beide die Gegenwart Gottes durch ihr Herz scheinen lassen, sind auf diese Weise das heilige Ehepaar Dorothee und Niklaus von Flüe Wyss.

Niklas Raggenbass


Erste Erwähnung von Dorothee Wyss im Jahrzeitbuch im Kloster Engelberg aus dem Jahr 1491

Dorothee Wyss von Flüe:
Lebensstationen

1430/32
Geburt von Dorothee, wahrscheinlich in der Schwendi über dem Sarner See, als Tochter des Ratsherrn Rudi Wyss.

1445/46
Heirat von Dorothee Wyss und Niklaus von Flüe (1417-1487).
Sie wohnen als Bauern auf dem Schübelacher im Flüeli und haben zehn gemeinsame Kinder.

1467
Dorothee sagt ja zum Entschluss ihres Mannes Niklaus, sich auf eine Pilgerreise zu machen und anschliessend als Eremit leben zu wollen, in den Ranft zu gehen.

nach 1467
Dorothee, zusammen mit ihren Kindern, übernimmt die Leitung von Haus und Hof. Ihr ältester Sohn zieht mit seiner Familie ins benachbarte kleinere Haus. Dorothee und die Kinder sorgen für das Auskommen von Niklaus und die Besucher, die in den Ranft kommen.

1487
Bruder Klaus stirbt. Es wird erzählt, ein Engel habe Dorothee nach dessen Tod getröstet.

1495/96
Tod von Dorothee mit etwa 63 Jahren. Vermutlich wird sie in Sachseln beerdigt. Möglich, dass sie im Beisein ihres jüngsten Sohnes starb, so vermuten Historiker. Dieser hat 1490 sein Studium in Paris abgeschlossen und 1491 die Priesterweihe empfangen. Er kam über Italien als Pfarrer in Sachseln zurück.


Dorothee Wyss und ihre 10 Kinder nehmen Abschied von Bruder Klaus in der Ranftkapelle

Ausstellung «Dorothee Wyss – Die Geschichte einer heiligmässigen Frau» (noch bis 1. November 2021)

Wo:
Bruder Klaus Museum
Dorfstrasse 4
6072 Sachseln

Geöffnet:
Dienstag-Samstag: 10-12 Uhr / 13.30-17 Uhr; Sonn- und Feiertage: 11-17 Uhr.

Kontakt:
Tel: 041 660 55 83 – Web: museumbruderklaus.ch