Ein Erwachsenwerden

Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herab kam wie eine Taube und auf ihm blieb.
Joh. 1, 32

Man sagt, am Jordan rufe ein gewisser Johannes zur Umkehr und taufe mit Wasser. Die Volksmenge strömt hin. Das Schauspiel will man nicht verpassen. Aber es zeigt sich: Auf Johannes kommt es gar nicht an. Er weist vielmehr auf einen hin, der in der Menge steht. Jesus. Auch er will sich taufen lassen, worauf eben diese Geist-Taube vom Himmel herabschwebt und auf ihm bleibt.

Über Jesu Jugend und frühes Mannesleben wissen wir kaum etwas. Gemäss ausserbiblischer Berichte war der Knabe nicht nur ein Sonnenschein. Streitsüchtig, rechthaberisch gelegentlich, lieblos gegen seine Kameraden. Und später? Wir sind versucht, ihn als eine Persönlichkeit durchaus auch mit Schattenseiten zu sehen.

Über den jungen Johannes wissen wir lediglich, dass er sich in die Wüste zurückzog, und dort vielleicht mindestens Distanz zu seinem bisherigen Gottesbild gewann. Jedenfalls scheint er sich gewandelt zu haben und predigt jetzt Umkehr. Und Jesus, in der Menge, wird von seinen Worten getroffen. Verunsichert vielleicht zuerst einmal. Das Gesetz des Moses war ihm bisher Stütze und Ausrichtung. Und dann kommt das mit der Taube. Der Geist Gottes erfüllt ihn. Ein Glücksmoment? Ein Angstmoment? Oder beides, im Zeitraffer? Jedenfalls war die bisher stabile Gesetzesbrille zerbrochen. Die uns ab jetzt vermittelte Art Jesu, seinen Mitmenschen zu begegnen, zu ihnen zu reden und sich ihrer anzunehmen, begann jetzt Wirklichkeit zu werden.

Ich denke, es ist durchaus erlaubt zu sagen: Er hat sich gewandelt vom unbekannten, vielleicht auch noch eher unbewussten Jüngling zum Mann, der um seine Aufgabe weiss und bereit ist, die daraus erwachsenden Konsequenzen auf sich zu nehmen.

Niklaus Reinhart